News: Interview mit Dr. Andreas Fischer

René ⌂ @, Samstag, 09.05.2009 (vor 5438 Tagen)
bearbeitet von René, Dienstag, 20.05.2014

Bis zum 1. August 2004 war in Bayern der Begriff "Zweitwohnungsteuer" ein Fremdwort gewesen. Erst nach der Änderung des bayerische Kommunalabgabengesetzes (KAG) wurde es für die Gemeinden möglich, für eine Wohnung eine kommunale Aufwandseuer zu erheben. Und diese Möglichkeit haben in der vergangenen Zeit zahlreiche Gemeinden genutzt.

Dr. Andreas Fischer, Mitglied des Bayerischen Landtages, innen- und rechtspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der FDP im Bay. Landtag stellt sich den Fragen des Internetforums zweitwohnsitzsteuer.de:

zweitwohnsitzsteuer.de: Zum Jahresbeginn wurde in Bayern ein neues Gesetz erlassen, bei dem Geringverdiener von der Steuer befreit werden. Hat sich dieses Gesetz bereits bewährt? Wie ist das Feedback von Einwohnern?

Dr. Andreas Fischer: Die Befreiung von Geringverdienern, Studenten und anderen von der Zweitwohnungssteuer auf Antrag war ein Schritt in die richtige Richtung und hilft vor allem Studenten. Die Nachbesserung ändert allerdings nichts daran, dass die Zweitwohnungssteuer eine unnötige und bürokratische Belastung der Bürger ist und daher insgesamt abgeschafft werden sollte. Als Bagatellsteuer verursacht sie hohen Aufwand bei geringem Erlös.

ZWS: Wie stufen sie das Beantragungsverfahren für diese Befreiung ein

Dr. Fischer: Das Befreiungsverfahren ist bürokratisch aufwändig und zwingt Bürger zur Offenlegung ihrer Einkommensverhältnisse. Besser wäre es, auf die Steuererhebung ganz zu verzichten, anstatt einzelne umständliche Ausnahmen zu machen.

ZWS: Kommunen, die diese Steuer einführten bzw. einführen wollen, argumentieren in der Regel damit, dass Inhaber von Zweitwohnungen der Kommune keine Einnahmen verschaffen, wie bspw. durch die Schlüsselzuweisung. Wie stehen sie zu dieser Position und könnte es dafür auch andere Lösungen geben?

Dr. Fischer: Dieses oft vorgebrachte Argumente ist zumindest in Bayern nicht tragfähig: Unabhängig von der Einstufung als Haupt- oder Nebenwohnsitz erhalten Gemeinden bei jeder Wohnung Grunderwerbs- und Grundsteuer. Den Gemeinden fließen auch für Zweitwohnsitze Schlüsselzuweisungen aus dem Finanzausgleich zu. Damit ist die Inanspruchnahme kommunaler Infrastruktur und gemeindlicher Einrichtungen abgegolten und die Bewohner von Zweitwohnungen beteiligen sich ausreichend an den Gemeindefinanzen.

Das Errichten von Wohnungen fördert ferner die Bauwirtschaft in einer Gemeinde und die Bewohner stärken durch ihren Konsum die einheimische Wirtschaft. Wohnungen und deren Bewohner sind für eine Gemeinde keine Last, sondern vielmehr ein Gewinn.

ZWS: Studentenstädte wie Jena oder Greifswald wollten in der Vergangenheit auch die Zweitwohnungsteuer einführen. Studentenvertreter konnten diese Städte überzeugen, von der Steuer abzulassen, sofern genügend Studenten Ihren Hauptwohnsitz in der Gemeinde anmelden. Zumindest in diesen beiden Fällen gab es ausreichend viele Ummeldungen. Eng damit verbunden sind Maßnahmen wie "Begrüßungsgeschenke" oder "Bleibegelder", die viele Städte vor allem an Studenten zahlen, damit sie zum Ummelden bzw. Nicht-Ummelden animiert werden. Wie stufen sie solche Maßnahmen ein?

Dr. Fischer: Nach dem Meldegesetz ist die Hauptwohnung die vorwiegend benutze Wohnung; jede weitere Wohnung ist Nebenwohnung. Wenn Bürger ihre tatsächliche Nebenwohnung zur Hauptwohnung ummelden, nur um Steuern zu sparen, führt dies eigentlich zu melderechtswidrigen Zuständen. Kommunen die hierzu auffordern oder durch Steuererhebung oder Belohnung dazu animieren wollen verhalten sich damit nicht rechtmäßig. So erfreulich die Entwicklungen in Jena und Greifswald sind, zeigt sich darin auch die rechtliche Problematik der Zweitwohnungssteuer.

ZWS: Ein Paradoxon der Zweitwohnungsteuer ist, dass Betroffene in der jeweiligen Gemeinde selber nicht politisch aktiv werden können. Oder anders ausgedrückt: Will ein Betroffener politisch aktiv gegen die Zweitwohnungsteuer werden, wäre eine Ummeldung notwendig. Und dann wäre er kein Betroffener mehr. Sollte man auch mit Nebenwohnung politischen Einfluss in kommunalen Angelegenheiten nehmen können?

Dr. Fischer: Es ist zutreffend, dass das aktive und passive Wahlrecht zumeist am Ort der Hauptwohnung besteht. Ein (kommunales) Wahlrecht am Ort jeder Wohnung sehe ich kritisch. Dennoch kann und sollte man sich auch außerhalb von Wahlen gegen die Zweitwohnungssteuer und bei anderen Themen politisch engagieren, was am Ort jeden Wohnsitzes möglich ist.

ZWS: Wenn Sie in Bayern die Zweitwohnungsteuer erfolgreich abgeschafft haben, wird es vermutlich einen Bevölkerungsschwund vor allem unter den Studenten geben, wenn Studentenstädte in anderen Bundesländern mit der Steuer zum Ummelden animieren und Bayern auf diese Möglichkeit verzichtet. Gibt es auch länderübergreifende Initiativen der FDP, die diese Steuer auf Bundesebene abschaffen will?

Dr. Fischer: Die Kommunalabgaben liegen in der Gesetzgebungshoheit der Länder. Jedes Bundesland kann und muss daher entscheiden, ob es die Besteuerung von Wohnraum verbieten oder beibehalten will. Nach meiner Ansicht sollte die Zweitwohnungssteuer im ganzen Bundesgebiet abgeschafft werden: Gerade in Zeiten der Krise ist nicht die Belastung sondern Entlastung der Bürger geboten, die Abschaffung der Zweitwohnungssteuer wäre eine richtige Maßnahme zur richtigen Zeit.

ZWS: Vielen Dank für das Gespräch.


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