Zweitwohnsitzsteuer Schüler

Susannepeitz @, Dienstag, 16.01.2007 (vor 6333 Tagen)

Hallo,

meine Tochter Nicole (18 Jahre) besucht seit August 2006 das Gymnasium Essen-Werden. An den Schultagen wohnt sie im Schwesternwohnheim des Klinikums. Ihre Wohnung besteht aus einem kleinen Appartment von 28 qm. Die Miete incl. aller Nebenkosten beträgt 250 €. Das Wochenende verbringt sie zu Hause. Nicole bezieht Schülerbafög. Sie hat sich in Essen mit NW angemeldet. Vor einigen Tagen hat sie das Formular zur Zweitwohnsitzsteuer erhalten.

Müssen Schüler wirklich diese Steuer zahlen> Was ist wenn man nicht in der Lage ist, die Zahlungen zu leisten> Kann man einen Antrag auf Befreiung stellen>

Bitte und Infos! Danke!

Susanne

Zweitwohnsitzsteuer Schüler

Christian @, Dienstag, 16.01.2007 (vor 6333 Tagen) @ Susannepeitz

Hallo Susanne,

ausgerechnet Essen, da weiß man es ganz besonders genau.:-P Aber zur Sache:

Ich gehe mal davon aus, dass Nicole sich nicht nur an den Wochenenden sondern auch während der Schulferien - und damit zeitlich vorwiegend - zu Hause aufhält. Somit wäre die Meldung mit Nebenwohnung in Essen rechtlich in Ordnung.

Das Formular muss ausgefüllt und abgegeben werden, ein Antrag auf Befreiung ist wahrscheinlich sinnlos, aber der Versuch lohnt allemal. Allenfalls kann man noch Stundung (verzinst) oder Ratenzahlung beantragen - Entscheidung liegt immer bei der Stadt.

Nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist die Zweitwohnungsteuer bei entsprechender Ausgestaltung eine zulässige örtliche Aufwandsteuer. Danach muss jeder (wirklich jeder) zahlen, der mehr als eine eigene Wohnung „Innehat“ (Mieter, Eigentümer oder Nießbrauch). Das trifft bei Nicole nicht zu und nach den Maßstäben des BVerfG ist sie nicht zweitwohnungsteuerpflichtig.

Der Haken ist nur: Essen erkennt das nicht an. Dort soll jeder zahlen, der mit Nebenwohnung gemeldet ist - egal ob er eine, zwei oder überhaupt keine Wohnung innehat. Das besagt die Satzung und so will es die Stadt. Da aber Entscheidungen des BVerfG für alle deutschen Gerichte maßgeblich sind, kann man sich bei einer Fallkonstellation wie bei Nicole mit guten Aussichten auf Erfolg wehren - man muss nur die richtige Begründung finden und darf den Rechtsweg (Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen) ggf. nicht scheuen. Dazu gibt es hier auf dieser Seite Hilfe.

Also: Erst mal Erklärung ausfüllen, dabei unter Ziffer 09 „Sonstiges“ eintragen: „Meine Nebenwohnung ist keine Zweitwohnung, da ich keine Erstwohnung innehabe“ und einen Antrag auf Befreiung, wegen fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Nicoles, stellen. Dann heißt es warten, bis Essen sich entschieden hat und entweder die Befreiung ausspricht oder einen Steuerbescheid erstellt. Wie lange das dauert, kann ich nicht abschätzen. Kommt ein Steuerbescheid, ist ein Widerspruch erforderlich - wenn dazu Hilfe gebraucht wird, hier wieder melden.

Noch Fragen>

Gruß

Zweitwohnsitzsteuer Schüler

Susannepeitz @, Donnerstag, 18.01.2007 (vor 6331 Tagen) @ Christian

Hallo Christian,

vielen Dank für die schnelle Hilfe. Können wir den Antrag auf Befreigung sofort stellen, oder muss der Steuerbescheid abgewartet werden> Gibt es ein spezielles Antragsformular, oder reicht ein Brief mit Kopie des Bafög-Bescheids.

Vielen Dank nochmal.

Susanne

Zweitwohnsitzsteuer Schüler

Christian @, Donnerstag, 18.01.2007 (vor 6331 Tagen) @ Susannepeitz

Hallo Susanne,
wenn die Erklärung so ausgefüllt und abgegeben wird, wie ich es beschrieben habe, ist ein Antrag auf Befreiung erst Mal nicht nötig, aber möglich. Am besten mit einem Anschreiben, in dem die Tochter erklärt, dass sie Bafög-Empfängerin ist und wegen fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit die Zweitwohnungsteuer auf keinen Fall aufbringen kann.
Wie ich die Stadt einschätze, wird allenfalls ein dummer Spruch kommen, aber dann wäre dieser Punkt wenigstens geklärt. Vielleicht irre ich mich diesbezüglich aber auch.:-)
Ansonsten: Sobald der Steuerbescheid eintrudelt, Widerspruch einlegen. Formulierungshilfe kann hier im Forum erfragt werden.;-)
Noch Fragen>
Gruß

Zweitwohnsitzsteuer Schüler

Susannepeitz @, Montag, 23.04.2007 (vor 6236 Tagen) @ Christian

Hallo Christian,

meine Tochter hat am 14.04. einen zweiseitigen Brief der Stadt Essen erhalten. Ich versuche mal den Inhalt zusammenzufassen:

Nach § 227 AO i. V. mit § 12 Kommunalabgabengesetz können Ansprüche ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

Sachliche Unbilligkeitsgründe liegen nicht vor.

Zu unserem Hinweis, dass Nicole keine Erstwohnung inne hat wird dargestellt, dass der Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz Az. 6B 11579/06 vom 29.01.07 kein höchstrichterlicher Beschluss sei und damit nicht bindend für die Stadt Essen ist.

Zu unserer Aussage, dass Nicole wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Zweitwohnsitzsteuer zu zahlen:

...Die Erhebung einer Aufwandsteuer setzt keine besonders aufwändige oder luxuriöse Einkommensverwendung voraus. Aus Gründen der Praktibalilität kommt es auch nicht darauf an, dass die besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in jedem Fall konkret festgestellt wird....

Den letzten Absatz werde ich komplett aufführen.

Um über Ihren Erlassantrag entscheiden zu können ist es erforderlich, dass der Sachverhalt erschöpfend dargelegt wird, also ein zeitnahes Bild der wirtschaftlichen Verhältnisse geschaffen wird. Bitte senden Sie mir hierzu eine entsprechende Aufstellung über Ihre monatlichen Einnahmen und Ausgaben der letzten drei Monate sowie Kopien entsprechender Nachweise (monat. Zuwendung der Eltern, Mietquittung, Kfz-Kostenaufstellung, Telefonrechnung, Kontoauszüge, etc.). Ebenfalls ist die Vorlage einer Nichtkreditierungsbescheinigung Ihrer Bank erforderlich, wonach Ihnen keine bzw. keine weiteren Kredite gewährt werden können.

Wir haben bereits mit unserem ersten Brief eine Kopie des Bafög-Bescheids (Schülerbafög von 307 €) eingereicht. Der Sozialhilfesatz liegt nach meinen Informationen bei 345 €.

Große Bedenken habe ich auch wegen der Nichtkreditierungs-bescheinigung. Wird die bei der Schufa gespeichert> Nicole wird in 2008 das Abi haben und dann studieren. Um die Studiengebühren bezahlen zu können, braucht sie auf jeden Fall einen Bildungskredit.

Falls wir keine Angaben machen, wird nach Aktenlage entschieden.

Bitte um Rat.

Vielen Dank und herzliche Grüße
Susanne

Zweitwohnsitzsteuer Schüler

Christian @, Montag, 23.04.2007 (vor 6236 Tagen) @ Susannepeitz

Hallo Susanne,

Erlassanträge haben Ihre Tücken - ich würde die Finger davon lassen. Erst der ganze Papierkrieg und am Ende stundet die Stadt „großzügig“ und der Betrag wird irgendwann mit Zinsen fällig - erlassen wird sie ihn nie. Ich würde auf den Summs überhaupt nicht eingehen. Wenn der Stadt der BaföG.-Bescheid nicht reicht, um festzustellen, dass Deine Tochter am Existenzminimum lebt, lässt sie sich von nichts überzeugen. Allein die Formulierung „Um über Ihren Erlassantrag entscheiden zu können ist es erforderlich, dass der Sachverhalt erschöpfend dargelegt wird …“ ist in diesem Zusammenhang eine Frechheit - das wurde schon mit der Bafög -Gewährung entschieden.

Probieren kannst Du es natürlich trotzdem. Aber meiner Meinung nach bleiben nur zwei realistische Möglichkeiten
- die „Zweitwohnungsteuer“ zahlen oder
- Widerspruch einlegen und klagen (denn den Widerspruch wird die Stadt Essen immer ablehnen).

Zur Klage (hatte ich im Wesentlichen ja schon geschrieben)::
Die Stadt Essen besteuert nur dem Namen nach Zweitwohnungen: De facto besteuert sie mit ihrer Satzung das Nutzen einer Nebenwohnung. Das bedeutet im Klartext: Man muss überhaupt keine Wohnung innehaben, um der Zweitwohnungsteuer zu unterliegen. Das hält das Oberverwaltungsgericht in Münster, aus welchen Gründen auch immer für zulässig. Das Ganze hat aber mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Zweitwohnungsteuer nichts, aber auch überhaupt nichts zu tun. Die Stadt Essen verschanzt sich natürlich hinter dem Oberverwaltungsgericht. Insofern wird sich eine Klage mühselig gestalten. Der Rechtsweg ist halt zäh. Aber da muss man durch - oder Zweitwohnungsteuer zahlen. Für Essen ist das VG Gelsenkirchen zuständig - die sind gegenüber den Städten und ihrer Zweitwohnungstuer recht kritisch - da kann man mit einer gut geführten Klage vielleicht sogar was erreichen.

Noch Fragen>

Gruß