News: Bundesverfassungsgericht kippt degressive Staffelung

René ⌂ @, Montag, 24.02.2014 (vor 3706 Tagen)

Gemäß Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 ist eine degressiver Staffelung einer Zweitwohnungssteuer wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz Art. 3 GG verfassungswidrig.

Der Leitsatz lautet:

[blockquote]Ein degressiver Zweitwohnungsteuertarif verletzt das Grundrecht auf Gleichbehandlung des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, wenn dies nicht durch hinreichend gewichtige sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Eine entsprechende Satzungsbestimmung ist nichtig.[/blockquote]

Im konkreten Fall wurde die Steuersätze in Konstanz auseinandergenommen.

Ich - als Betreiber der Seite - begrüße dieses Urteil ausdrücklich. Mal jenseits der Fragen zum Für und Wider der Zweitwohnungsteuer allgemein, verkomplizieren Staffelsätze nur unnötig die Erfassung und führen insbesondere an den Staffelgrenzen zu Ungerechtigkeiten. Bei einigen Kommunen insbesondere in Bodenseenähe, z.B. Überlingen, Friedrichshafen und Konstanz, ist die unterste Staffel sehr groß gefasst, so dass auch für kleinste Wohnungen bis zu 880 Euro Steuer im Jahr zu zahlen sind.

Da das Bundesverfassungsgericht gesprochen hat, ist in vielen Kommunen mit neuen Satzungen zu rechnen. Ich freue mich über Zuarbeit (z.B. in Form von Kommentaren), um die Stadtdatenbank auch künftig wieder aktuell zu halten.

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Yvonne Winkler @, Montag, 24.02.2014 (vor 3706 Tagen) @ René

Schöner Beschluss des BVerfG mit einigen Kernsätzen. Mir gefällt natürlich der Standpunkt des Bundesfinanzhofes zum Thema. Kurz und deutlich

".3. Der Bundesfinanzhof äußert verfassungsrechtliche Bedenken an der degressiven Ausgestaltung des Zweitwohnungsteuertarifs. Schon der Typus der Aufwandsteuer lasse es nicht zu, bei der Zweitwohnungsteuer einen niedrigeren jährlichen Mietaufwand mit einem höheren Steuersatz zu belegen als einen höheren jährlichen Mietaufwand. Der degressive Steuertarif verletze darüber hinaus die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips. Dieser könne keinesfalls mit der Erwägung gerechtfertigt werden, der Beklagten erwachse aus Zweitwohnungen ein erhöhter Aufwand, weil allein der isolierte Vorgang des Konsums für die Aufwandsteuer maßgeblich sei."

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Alfred @, Dienstag, 25.02.2014 (vor 3706 Tagen) @ Yvonne Winkler

Befremdlich daran ist nur, dass der BFH mit dieser Frage rein gar nichts zu tun hat. Seine Kundschaft besteuert die Jahresmiete prozentual.

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Alfred @, Dienstag, 25.02.2014 (vor 3706 Tagen) @ René

Es ist immer erfreulich, wenn das BVerfG eine Zweitwohnungsteuersatzung für nichtig erklärt, hält die Diskussion am Leben.

Da das Bundesverfassungsgericht gesprochen hat, ...

.. wird abzuwarten sein, wie die Verwaltungsjuristen und die Verwaltungsgerichtsbarkeit darauf reagieren. Da kann man Wundersames erleben.

Was noch beachtenswert an dem Beschluss ist:

Der jeweilige Mietaufwand als Bemessungsgröße der Zweitwohnungsteuer spiegelt die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit der Wohnungsinhaber wider.“
Damit dürfte wohl einmal mehr klargestellt sein, dass diese Leistungsfähigkeit nichts mit der Leistungsfähigkeit bei der Einkommenserzielung zu tun hat.

Jenseits des bedauerlichen Wohnsitzgeschnorchels, mit dem das BVerfG sich völlig in die Reihe derer einreiht, die glauben, gesetzliche Regelungen nicht beachten zu müssen, wird deutlich, dass auch das BVerfG die Auffassung vertritt, eine melderechtliche Registrierung sei in das Belieben der Einwohner gestellt und von deren Verhalten unabhängig.
So finden sich in der Entscheidung Sätze wie
Die Veranlassung zur Ummeldung des Nebenwohnsitzes in einen Hauptwohnsitz nach den Maßgaben des Melderechts stellt ein legitimes Ziel einer Zweitwohnungsteuer dar ...“
„Zwar mag die Erhebung der Zweitwohnungsteuer insgesamt geeignet sein, Zweitwohnungsinhaber zur Anmeldung des Hauptwohnsitzes zu bewegen ...“

Wenn das BVerfG da routiniert die Floskel „nach den Maßgaben des Melderechts“ einfügt, wäscht es seine Hände in Unschuld, bringt aber mit keinem Wort zum Ausdruck, dass derjenige, der melderechtskonform mit Nebenwohnung registriert ist, sein Verhalten ändern muss, um daraus eine Hauptwohnung zu machen.
Sachlich korrekt wäre m.E. die Formulierung:
„Zwar mag die Erhebung der Zweitwohnungsteuer insgesamt geeignet sein, Zweitwohnungsinhaber zur Änderung ihrer Lebens- und Wohnverhältnisse zu bewegen ...“
Hinsichtlich der Legitimität solcher Lenkungszwecke könnte man dann womöglich zu anderen Ergebnissen kommen.

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Yvonne Winkler @, Dienstag, 25.02.2014 (vor 3706 Tagen) @ Alfred

Gebe Dir recht. Das Wohnsitzgeschnorchel ist unprofessionell und reiht sich in die Reihe gelebter Bürgervorstellung ein.

"Ich kann keinen Hauptwohnsitz anmelden, weil ich dann mehr Versicherung zahlen muss" und ähnlichen Beliebigkeiten wird damit eine Rechtsprechungsgrundlage gewährt.

Melderecht verkommt zur Beliebigkeit und folgt nicht der tatsächlichen Aufenthaltsdauer, sondern dem Lenkungszweck oder den wirtschaftlichen Interessen der Einzelnen.

Schaumermal, wie sich die Verwaltungsrechtsprechung damit weiterentwickelt.:-)

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Rebell @, Samstag, 01.03.2014 (vor 3701 Tagen) @ Yvonne Winkler

„Die Veranlassung zur Ummeldung des Nebenwohnsitzes in einen Hauptwohnsitz nach den Maßgaben des Melderechts stellt ein legitimes Ziel einer Zweitwohnungsteuer dar ...“
„Zwar mag die Erhebung der Zweitwohnungsteuer insgesamt geeignet sein, Zweitwohnungsinhaber zur Anmeldung des Hauptwohnsitzes zu bewegen ...“

Diese Formulierung wird wohl oder Übel die Einwohnerveredelung, welche ein riesiger Dorn im Auge der Kommunalverbände inzwischen geworden ist.

Nur über die Zwst gelang es doch diesen Lenkungszweck auf die Reihe zu bringen - dieses allerdings zum Nachteil jener Kommunen wo die Abmeldung erfolgt ist.
Die Kommunalverbände bräuchten nur darauf drängen und beim Kommunalen Finanzausgleich nicht nur über Erstwohnsitze, sondern entweder die Nebenwohnsitze mit den Erstwohnsitzen gleich behandeln oder zu mindest 50% beim Finanzausgleich auf den Erstwohnsitz sobald es einen Nebenwohnsitz gibt sodann auch die restlichen 50 % an die Gemeinde mit dem Nebenwohnsitz zu berücksichtigen.
Damit wäre die Einwohnerveredelung insbesondere bei Studenten und Bürgern, welche grundsätzlich zum Erwerb auf einen Nebenwohnsitz angewiesen sind, praktikabel und ohne großen Aufwand möglich. bei der Stadt München frisst die Überwachung und Eintriebung der Zwst über 50 % auf. Es wäre wohl besser dieses Personal mit guter Arbeit als mit Überwachungsarbeit einzusetzen.
Nur der Sekudäreffekt - Druck zu Anmeldung als Erstwohnsitz - lässt das Defizit ausgleichen- genau das kann man aus dem Urteil ableiten !!!
Seit der Bekanntgabe des Zensusergebnisses laufen viele Kommunen sturm, denn es fehlt nun enorm an Zuwendungen im Rahmen des Finanzausgleich!
In Bayern läuft eine Sammel-Popularklage von Gemeinden wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes im kommunalen Finanzausgleich im Zusammenhang mit der Zweitwohnungssteuer.
Lasst uns hoffen - jede Entscheidung ist u.U. eine Entscheidung in die richtige Richtung!

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Norman @, Montag, 03.03.2014 (vor 3699 Tagen) @ René

@Alfred, Yvonne Winkler
Abseits von Begriffsdefinitionen wie Wohnsitz- bzw. Wohnungsfragen fallen mir an der BVerfg-Entscheidung ganz andere Fragen auf.

Mir fehlt eine überzeugende rechtsdogmatische Einordnung der Zweitwohnungssteuer in Bezug auf den Gleicheitssatz des Grundgesetzes. Hier wird doch ein wenig lieblos mit der Materie umgegangen. Wenn man nur einmal überzeugende Leitlinien aufzeigen würde, die in sich konsistent sind, herrschte ein höheres Maß an Rechtssicherheit auf allen Ebenen.

Beispiel Lenkungszweck: Der Lenkungszweck wurde seit langer Zeit anerkannt – jedoch als ein auf das Gemeinwohl gerichtete Ziel, wie etwa Umweltschutz usw. Die staatliche Einnahmeerzielung als legitimer Lenkungszweck wurde noch in der Entscheidung BVerfG, 2 BvL 1/07 vom 9.12.2008 ausdrücklich ausgeschlossen. Warum soll dies nun anders sein? Hätte man darüber nicht auch ein Wort verlieren können?

Zweitens zielte der Lenkungszweck in der Rechtsprechung der Vergangenheit auf ein Verhalten, d.h. Handeln der Bürger ab. Hier geht es aber erkennbar nicht darum, die Bürger dazu zu bewegen, sich vermehrt in einer bestimmten Gemeinde aufzuhalten (also entsprechende zu Handeln), sondern dies bei den Meldebehörden in einem bürokratischen Akt lediglich so darzustellen. Auch unter diesem Aspekt hätte ich mir ein wenig Konkretisierung gewünscht. Wenn man von seiner bisherigen Rechtsprechungslinie abweicht, wäre ein Wort zum Verständnis des Ganzen hilfreich.

@Alfred:

Damit dürfte wohl einmal mehr klargestellt sein, dass diese Leistungsfähigkeit nichts mit der Leistungsfähigkeit bei der Einkommenserzielung zu tun hat.<

Woher wissen Sie das? Hat ein und derselbe Mensch denn verschiedene unterschiedliche Leistungsfähigkeiten? Nach meinem Verständnis zielen Einkommenserzielungs- und -verwendungssteuern auf die Besteuerung derselben Leistungsfähigkeit ab – sie messen sie nur unterschiedlich, was im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.

Befremdlich daran ist nur, dass der BFH mit dieser Frage rein gar nichts zu tun hat. Seine Kundschaft besteuert die Jahresmiete prozentual. <

Finden Sie nicht, dass es zumindest eine Begründung verdient, warum Sie dem BFH die Kompetenz, sich in Steuerfragen zu äußern, absprechen, während Sie hier unter dem Deckmantel der Anonymität Steuerberatung betreiben? Welche Instanz hat darüber zu befinden, dass Sie eine Meinung zu diesen Fragen haben dürfen und der BFH nicht?

Norman Ziercke
Steuerberater

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Gustav @, Montag, 03.03.2014 (vor 3699 Tagen) @ Norman

  • In Bayern läuft eine Sammel-Popularklage von Gemeinden wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes im kommunalen Finanzausgleich im Zusammenhang mit der Zweitwohnungssteuer.

Was soll denn das sein eine Popularklage?

wer kennt diesen Begriff?

Populist wie Seehofer ist schon ein Begriff, aber was bedeutet Popularklage?

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Alfred @, Montag, 03.03.2014 (vor 3699 Tagen) @ Norman

Beispiel Lenkungszweck: Der Lenkungszweck wurde seit langer Zeit anerkannt – jedoch als ein auf das Gemeinwohl gerichtete Ziel, wie etwa Umweltschutz usw. Die staatliche Einnahmeerzielung als legitimer Lenkungszweck wurde noch in der Entscheidung BVerfG, 2 BvL 1/07 vom 9.12.2008 ausdrücklich ausgeschlossen.

Hm, Sie beziehen sich wohl auf
„Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung vor allem außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke (aa) ... anerkannt, nicht jedoch den rein fiskalischen Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung (cc).“
und
Nicht als besonderer sachlicher Grund für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen anerkannt ist dem-gegenüber der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung.“

in dem genannten Beschluss? Den verstehe ich nun nicht so, dass damit die "staatliche Einnahmeerzielung als legitimer Lenkungszweck ... ausdrücklich ausgeschlossen“ wurde.

Zweitens zielte der Lenkungszweck in der Rechtsprechung der Vergangenheit auf ein Verhalten, d.h. Handeln der Bürger ab. Hier geht es aber erkennbar nicht darum, die Bürger dazu zu bewegen, sich vermehrt in einer bestimmten Gemeinde aufzuhalten (also entsprechende zu Handeln), sondern dies bei den Meldebehörden in einem bürokratischen Akt lediglich so darzustellen. Auch unter diesem Aspekt hätte ich mir ein wenig Konkretisierung gewünscht.

Da sind wir ja mal annähernd einer Meinung, auch wenn ich es mit anderen Worten gesagt habe.

Nach meinem Verständnis zielen Einkommenserzielungs- und -verwendungssteuern auf die Besteuerung derselben Leistungsfähigkeit ab – sie messen sie nur unterschiedlich, was im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.

Interessant. Da ich nach meinem Verständnis keine Steuerberatung betreibe (auch nicht unter dem Deckmantel der Anonymität), wäre ich auf derartige Feinheiten nie gekommen. Woran wird denn nach Ihrem Verständnis die Leistungsfähigkeit bei der Zweitwohnungsteuer bemessen?

Finden Sie nicht, dass es zumindest eine Begründung verdient, warum Sie dem BFH die Kompetenz, sich in Steuerfragen zu äußern, absprechen, während Sie hier unter dem Deckmantel der Anonymität Steuerberatung betreiben? Welche Instanz hat darüber zu befinden, dass Sie eine Meinung zu diesen Fragen haben dürfen und der BFH nicht?

Wann bitte hätte ich dem BFH denn die „Kompetenz, sich in Steuerfragen zu äußern“ abgesprochen?

Überprüfen Sie bitte Ihr Verständnis von Art. 5 GG, wenn sie der Auffassung sind, es bedürfte einer Instanz, die darüber zu befinden hätte, ob ich eine Meinung – zu welcher Frage auch immer – haben (und auch äußern?) darf, selbst wenn ich damit dem BFH absprechen würde – was nicht der Fall ist –, dass er eine Meinung zur degressiven Staffelung der Zweitwohnungsteuer haben dürfte.

Alfred
Kein Steuerberater

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Soraya @, Samstag, 14.06.2014 (vor 3596 Tagen) @ Alfred

Finanzielle Auswirkungen bei der Stadt Konstanz

a) Rückzahlungen von nicht bestandskräftigen Fällen

Zwei Klagen mussten von Seiten der Verwaltung für erledigt erklärt werden.

  • In beiden Fällen waren die entrichteten Zweitwohnungssteuerbeträge zu erstatten.

Insgesamt war dies ein Betrag mit 8.224,32 €. Da es in einem Fall nicht um die Verfassungsmäßigkeit der Satzung, sondern um die tatsächliche Steuerpflicht ging, ist zu prüfen, inwieweit diesbezüglich wieder eine teilweise Veranlagung mit Rückwirkung zum 01.01.2010 möglich ist (ca. 3.000,- €).