Zweitwohnsteuer in Berlin

Sofia @, Freitag, 15.10.2010 (vor 5277 Tagen)

Hallo,

ich bin vor drei Jahren wegen meiner Ausbildung nach Deutschland gezogen (ich komme aus der Schweiz und meine Eltern wohnen seit vier Jahren in Stuttgart).
Meinen Hauptwohnsitz hatte ich immer bei meinen Eltern, obwohl ich bei ihnen weder gewohnt habe noch ein Zimmer hatte.
Wir dachten, es wäre alles viel unkomplizierter wenn das Kindergeld über sie geht, aber eigentlich hätte ich das alles in Berlin machen können, wenn ich das gewusst hätte. In Berlin habe ich gewohnt (Nebenwohnsitz in einer WG) und meine Ausbildung gemacht. Jetzt habe ich mich in Berlin abgemeldet und meinen Hauptwohnsitz nur noch in Stuttgart gelassen, da ich in zwei Wochen für ein Jahr ein Praktikum in Brasilien mache.
Vor einem Jahr hatte ich mich mal erkundigt wegen einer Zweitwohnsitzsteuer, aber man hat mir am Telefon (und das kann ich leider nicht Beweisen) gesagt, dass für Studenten keine Zweitwohnsitzsteuer anfällt.
Jetzt habe ich eine Rechnung für über 200€ für etwas, was ich weder gewusst habe noch hatte ich jemals bei meinen Eltern gewohnt noch ein Zimmer.
Was könnte ich tun, gibt es Möglichkeiten, dass ich mich davon befreien kann>>>>

Ich wäre wirklich sehr dankbar für eure Ideen, es ist einfach so dumm gelaufen und soviel Geld für nichts!!

Viele Grüße
Sophia

Zweitwohnsteuer in Berlin

Alfred @, Freitag, 15.10.2010 (vor 5277 Tagen) @ Sofia

Wie immer: Die unausrottbaren Wohnsitze haben hier nichts zu suchen.

1. Ich gehe mal davon aus, dass Du mit Hauptwohnung bei Deinen Eltern und mit Nebenwohnung in Berlin registriert warst. So wie Du es schilderst: Eine klare Ordnungswidrigkeit (Verstoß gegen das Melderecht). Nicht mehr zu ändern.

2. Etwas nicht wissen, das Falsche getan zu haben sowie das Falsche denken, sind keine Argumente, die weiterhelfen. Eben so wenig das Vertrauen in die telefonische und falsche Auskunft einer Behörde, die verfassungswidrige Satzungen vollzieht.

3. Ob da was zu machen ist, lässt sich erst sagen, wenn Du folgende Fragen beantwortest.
- Rechnung für über 200 € soll wohl bedeuten, dass Du einen Steuerbescheid vom Finanzamt bekommen hast. Richtig>
- Von wann ist der Steuerbescheid> Die Gretchenfrage überhaupt.
- Hast Du eine „Zweitwohnungsteuererklärung“ abgegeben> Müsste eigentlich so sein.
- Wann hast Du die Berliner Wohnung bezogen und ab wann warst Du für diese mit Nebenwohnung registriert>
- Hattest Du in Berlin eine Wohnung, die den Anforderungen der Bauordnung für Berlin genügt>
- Warst Du Mieterin, Hauptmieterin oder Untermieterin>
- Kannst Du belegen, Dich vorwiegend/ausschließlich in Berlin und wenn dann nur besuchsweise in der Wohnung Deiner Eltern aufgehalten zu haben.
- Wie weit bist Du bereit zu gehen> Einspruch – Klage beim Finanzgericht – Berufung beim BFH (hier besteht Anwaltpflicht) – Verfassungsbeschwerde beim BVerfG

Damit Du nicht suchen musst, hier Bauordnung für Berlin, § 49 Wohnungen
(1) Jede Wohnung muss eine Küche oder Kochnische haben. Fensterlose Küchen oder Kochnischen sind zulässig, wenn eine wirksame Lüftung gewährleistet ist.
(2) In Wohngebäuden ...
(3) Jede Wohnung muss ein Bad mit Badewanne oder Dusche und eine Toilette haben.

Deine Auffassung „Geld für nichts“, ist nicht so ganz richtig. Das Geld ist für Berlin.:-D

Zweitwohnsteuer in Berlin

Sofia @, Freitag, 15.10.2010 (vor 5277 Tagen) @ Alfred

Danke für deine Antwort.
Die Rechnung/Steuerbescheid vom Finanzamt ist für 2009 und 2010 (für 13 Monate)und kam am 29.09.2010.
Eine Zweitwohnungsteuererklärung habe ich nie abgegeben. Ich bin im September 2007 nach Berlin gezogen wegen meiner Ausbildung und habe mich angemeldet als Nebenwohnsitz.
Ich nehme an, dass ich ab dem Zeitpunkt auch mit Nebenwohnung registriert war. Ich habe zuvor nie Zweitwohnsitzsteuer bezahlt und auch gerade herausgefunden, dass es ziemlich neu ist in Stuttgart. Deshalb wahrscheinlich, dass ich da einfach reingerutscht bin und diese Information verpasst habe.
Ich habe immer in Wgs gewohnt (bin mehrmals umgezogen und habe mich jedesmal umgemeldet) und war immer Untermieterin. Das letzt Jahr habe ich in einer Wohnung vom M A R T I N S W E R K, Gemeinnütziger Verein zur Wohnraumbeschaffung mit drei Mitbewohnern gelebt und wir alle waren Untermieter von denen.
Belegen, dass ich auschließlich in Berlin gewohnt habe könnte ich durch meinen Arbeitsvertrag, daraus geht hervor, dass ich in Berlin gearbeitet habe. Desweiteren könnte auch die Ausbildungstätte die für mich bestätigen.
Das ich nur Besuchsweise bei meinen Eltern war müsste dann daraus ersichtlich sein oder auch, indem ich bei meinen Eltern kein Zimmer habe, aber wie kann ich das Beweisen>
Einspruch habe ich erhoben und heute die Antwort darauf, das auch Kinderzimmer gelten. Wie kann ich Beweisen, dass ich dort kein Kinderzimmer habe (außer jemand kommt vorbei)und reicht das dann aus>
Ich gehe am 26.10. für ein Jahr ins Ausland für ein Praktikum. Deshalb ist es mit einer Klage wahrscheinlich schwierig.
Das Finanzamt hat mir gesagt, ich könnte die Behörde Fragen, ob ich mich rückwirkend abmelden kann, d.h. die Anmeldung der letzten 13 Monate "stornieren". Ob das möglich ist ist fragwürdig, ich kann am Montag nachfragen. Aus meiner Sicht wäre es auf jedenfall kein Problem, da ich auch die letzen 13 Monate und noch nie in Stuttgart gelebt habe. Vielleicht machen die ja sowas...oder ich versuche, mich nachträglich in Berlin abzumelden>, nur dort habe ich wirklich gelebt, zwar war ich nur als Nebenwohnsitz angemeldet.

» Damit Du nicht suchen musst, hier Bauordnung für Berlin, § 49 Wohnungen
» (1) Jede Wohnung muss eine Küche oder Kochnische haben. Fensterlose Küchen
» oder Kochnischen sind zulässig, wenn eine wirksame Lüftung gewährleistet
» ist.
» (2) In Wohngebäuden ...
» (3) Jede Wohnung muss ein Bad mit Badewanne oder Dusche und eine Toilette
» haben.
Ja, das hatten wir immer alles in der WG.

So sieht das jetzt alles aus. Und es ist ärgerlich, es ist eine Menge Geld und wenn ich das alles gewusst hätte, dann hätte ich mich nur in Berlin angemeldet. Aber wie kann man das immer alles wissen> Und dann auf einmal kommt die Überraschung. Wegen meinem Auslandpraktikum habe ich mich in Berlin ab August abgemeldet. Deshalb kam wahrscheinlich jetzt die Rechnung...

Ich hoffe sehr, dass ich noch etwas Tun kann und mir mein unwissen nicht so teuer kommt. Ich habe mir einfach nichts dabei gedacht....

Zweitwohnsteuer in Berlin

Alfred @, Samstag, 16.10.2010 (vor 5277 Tagen) @ Sofia

Wie Du schreibst, hast Du Einspruch erhoben und dieser wurde abgelehnt. Von wann ist denn der ablehnende Einspruchsbescheid und was steht in der Rechtsmittelbelehrung>

Wenn Du keine Steuererklärung abgegeben hast, ist mir schleierhaft, wie das Finanzamt überhaupt einen Steuerbescheid erlassen kann. Steht dazu was im Steuerbescheid> Schätzung z.B.> Ist die Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung evtl. bei Deinen Eltern eingegangen (wäre sogar korrekt, da dort Deine Hauptwohnung war) und wurde ignoriert/übersehen>

Damit bleibt nur noch die Klage beim Finanzgericht. Was die Klage angeht, wäre ein Auslandsaufenthalt nicht störend, das es auch in Brasilien Internet geben dürfte. Der Postweg dauert halt nur länger, was die Fristen enorm verkürzen könnte. Du könntest aber auch Deinen Vater oder Deine Mutter oder sonst jemanden bevollmächtigen, die Klage für die durchzufechten. Dann bleibt das Ganze sozusagen in DEU.

Was den Erfolg einer Klage angeht, kann ich auf Grund Deiner Angaben noch nicht viel sagen. Da bleiben zu viele Fragen offen.
1. Für welche Wohnung gilt der Steuerbescheid denn überhaupt und von wann bis wann (TT, MM, JJJJ) hast Du diese Wohnung bewohnt>
2. Wenn Du zwischen 2007 und 2010 mehrfach umgezogen bist, wie lange hast Du jeweils in den einzelnen WGs gewohnt> Und hast Du Dich jedes Mal umgemeldet>
3. Die WG hat keine Wohnung inne und kann auch nicht besteuert werden. Entscheidend für die Besteuerung sind Deine persönlichen Lebens- und Wohnverhältnisse. Da kommt es stark auf den Mietvertrag an.

Was den „Aufenthaltsnachweis angeht, wäre neben dem Arbeitsvertrag eine Bestätigung des Arbeitgebers, dass Du Vollzeit, also an 5 Tagen die Woche in Berlin gearbeitet hast, schon mal viel Wert. Die solltest Du Dir einholen, Den Aufenthalt bzw. Nichtaufenthalt in der elterlichen Wohnung könnten und müssten Deine Eltern bestätigen (ggf. mit eidesstattlicher Erklärung). Bei der Entfernung Berlin-Stuttgart erst mal auch plausibel. Wenn jemand (je mehr, desto besser) bestätigen könnte, dass Du Dich auch an den Wochenenden in Berlin aufgehalten hast, wäre das ein zusätzliches Pfund

Weitere wichtige Unterlagen wären der Mietvertrag für die besteuerte Wohnung (unentbehrlich) und Meldebestätigungen möglichst für alle Wohnungen. Ergänzend können auch Heizkosten- und Stromabrechnungen für die besteuerte Wohnung hilfreich sein

Was die rückwirkende Ab-/Ummeldung angeht, kannst Du das ja angehen. Deine Nebenwohnung in Berlin kannst Du glaubhaft nicht abmelden, höchstens in eine Hauptwohnung oder – richtiger – in eine alleinige Wohnung umwandeln. Ob Stuttgart da mitzieht, ist eine andere Frage. Wie lange das dauert die nächste. Letztlich ist es unübersehbar. Versuchen kannst Du es ja, aber darauf verlassen kannst Du Dich nicht. Am Ende ist die Klagefrist verstrichen und die Sache ist erledigt.

Wenn Du Deine Nebenwohnung in Berlin abgemeldet hast, müsstest Du seit August in Stuttgart mit alleiniger Wohnung registriert sein und dort auch Wohnen.

Zweitwohnsteuer in Berlin

Sofia @, Mittwoch, 20.10.2010 (vor 5273 Tagen) @ Alfred

Ich habe gerade nochmals beim Finanzamt angerufen. Sie schicken heute ein schreiben an mich, als Antwort auf meinen Einspruch, indem ich ihnen den Mietvertrag zusenden soll.
Sie wollen den Mietvertrag meiner zwei letzten WG´s, allerdings habe ich nur den der letzten. Ich werde ihnen den wohl schicken. Darin steht auch, wie teuer die kaltmiete der gesammten Wohnung kostet und dass in der Wohnung vier Leute leben müssen. Ich werde ihnen sagen, wieviel ich von der gesamten Wohnung bewohnt habe. Auch wenn sie diese Kaltmiete nur durch vier teilen würden (und nicht meinen genauen Anteil ausrechnen), dann wäre es immer noch weniger als sie mir jetzt mit der geschätzen Nettokaltmiete berechnet haben.
Oder>

Zweitwohnsteuer in Berlin

René ⌂ @, Mittwoch, 03.11.2010 (vor 5258 Tagen) @ Sofia

Wir hatten außerhalb des Forums schon etwas diskutiert:

* Ob die rückwirkende Ummeldung akzeptiert wird, ist so eine Sache. Es kann gut gehen, aber es muß es nicht unbedingt. Versuchen sollte man es.
* Wie deine konkrete Wohnform aussah (Untermiete, Hauptmiete, gar keine Miete) ist unerheblich. Für Berlin ist nur wichtig, daß du mehr als 12 Monate eine Nebenwohnung an einem Standort inne hattest (und da ist Berlin überaus moderat. In den meisten Bundesländern sind es zwei Monate).
* Wenn du vorher nicht zur Abgabe einer "Steuererklärung" aufgefordert worden bist, ist es komisch. Aber entscheidend ist, daß du nun einen Bescheid hast. Ist die Miethöhe zutreffend> Wenn sie zu hoch geschätzt worden ist, lohnt sich Widerspruch mit dem entsprechenden Mietvertrag
* Das du von der Berliner ZWS nicht viel mitbekommen hast, mag daran liegen, daß es die Steuer schon sehr lange hier gibt. Mit 5% übrigens auch verhältnismäßig gering.
* Alfreds Hinweise zur Vollmacht an deine Eltern solltest du nutzen - dann kannst du die nächsten Schritte dir immer noch überlegen.

Was für den Fall noch wichtig war: es wurde kein Mietvertrag vorgelegt, sondern die Miete wurde geschätzt - und zwar gut 100 Euro mehr.

Die nächste ärgerliche Sache in dem Fall war: sie wohnte 13 Monate da. Wären es nur 12 gewesen, wäre man in Berlin von der Steuer befreit. Sie wird nur für Zeiträumer ab einem Jahr erhoben.

Ungünstig in dem Fall war auch, daß ein Widerspruch bereits erfolgte. Hier hätte man ggf. den Mietvertrag anheften können. Ich weiß es nicht, ob es viel bringt, diesen bei der Finanzverwaltung noch mal nachzureichen. Probieren kann man es (wenn dadurch das Prozeßrisiko zu hoch wird, könnte auch so eingelenkt werden. Diese Strategie scheint auch Köln zu verfahren - um ungünstigen Urteilen aus den Weg zu gehen. Wenn man so die zahlreichen Fragen zu Köln einmal hier im Forum verfolgt)

Fairerweise sollte man auch nicht den ausgestreckten Finger auf Berlin zeigen: die Regeln hier sind vergleichsweise moderat. Der Steuersatz auch. Und die Mieten noch. Und auch die Fälle von ernsten Streitereien hier im Forum ist zu Berlin sehr gering.

Zweitwohnsteuer in Berlin

Alfred @, Mittwoch, 03.11.2010 (vor 5258 Tagen) @ René

» Fairerweise sollte man auch nicht den ausgestreckten Finger auf Berlin zeigen
Fainess> Was soll das hier bedeuten>

» die Regeln hier sind vergleichsweise moderat.
Rechtswidrig ist rechtswidrig - da kann von "moderat" nicht die Rede sein.

» Und auch die Fälle von ernsten Streitereien hier im Forum ist zu Berlin sehr gering.
Dafür sorgt schon die Finanzgerichtsbarkeit - die richtet es schon. Bis hoch zum BFH. Da muss man nur das Urteil vom 17.2.2010 lesen (II R 5/08). Pikanterweise der gleiche Tag, an dem das BVerfG höchstrichterlich zwei Nichtannahmebeschlüsse erkannt hat.