Die Kunst der Auslegung

Alfred @, Samstag, 23.02.2013 (vor 4339 Tagen)

Eben deswegen ist es manchmal ja so problematisch mit der Justiz

Beispiel:

Da steht in einer ZWSt-Satzung seit 1998
„§ 3 Steuerpflichtige
(1) Steuerpflichtig ist, wer im Stadtgebiet eine Zweitwohnung oder mehrere Wohnungen innehat. ...“

Das muss man natürlich auslegen, und so erkennt 2010 ein Obergericht:
Auch wenn § 3 Abs. 1 Satz 1 der Satzung bestimmt, dass steuerpflichtig derjenige ist, wer im Stadtgebiet eine Zweitwohnung oder mehrere Wohnungen innehat, ist mit „mehreren Wohnungen“ gerade nicht die Hauptwohnung gemeint; denn hinsichtlich derer besteht ja gerade keine Zweitwohnungsteuerpflicht. Gemeint sein könne mit „mehreren Wohnungen“ vielmehr lediglich weitere „Zweitwohnungen“.

Die Erkenntnisfähigkeit und Meinung der sicher ehrenwerten Richter in allen Ehren. Aber hätte der Satzungsgeber Zweitwohnungen gemeint, hätte er das auch problemlos und völlig unmissverständlich zum Ausdruck bringen können. Ausnahmsweise meinte der Satzungsgeber hier aber wirklich das, was er da normiert hat. Die Alternative „oder mehrere Wohnungen“ war als Auffangtatbestand für diejenigen konzipiert, die im Stadtgebiet der Beklagten mehrere Wohnung innehatten, sich melderechtlich aber nicht für die weitere Wohnung mit einer Nebenwohnung melden mussten. Mit Änderung der Meldegesetze ist diese Regelung obsolet.

Da stellt sich u.U. die Frage: Muss ein erkennender Senat diese Zusammenhänge kennen/berücksichtigen, wenn er seiner Fantasie freien Lauf lässt?

Am Rande:
Nach Auffassung des BVerfG von 2005 ist die oben zitierte Satzung nichtig. Das stimmt natürlich nicht, denn 4 Jahre nach diesem Beschluss kommt ein VG zu dem wohl maßgeblichen Urteil, dass sich die verfassungswidrigen Satzungsbestimmungen geltungserhaltend auslegen lassen. Ja, warum ist denn das BVerfG nicht auf dieser geniale Lösung gekommen und hat stattdessen gleich zur Keule der Nichtigkeit gegriffen?

Die Kunst der Auslegung

Rebell @, Samstag, 23.02.2013 (vor 4339 Tagen) @ Alfred

Da stellt sich u.U. die Frage: Muss ein erkennender Senat diese Zusammenhänge kennen/berücksichtigen, wenn er seiner Fantasie freien Lauf lässt?

Natürlich nicht- denn Geld stinkt nicht!

Die Kunst der Auslegung

Tilly @, Samstag, 23.02.2013 (vor 4339 Tagen) @ Alfred

Gut erfundenes Beispiel. Das ist nun mal die Unabhängigkeit der Justiz. Ein Richter sieht, was er sieht, und was er sieht, erkennt er für Recht. Wer will ihm da reinreden?

Die Kunst der Auslegung

Himbim13 @, Sonntag, 24.02.2013 (vor 4338 Tagen) @ Tilly

….was er sieht, erkennt er für Recht.....

……soweit nicht ein System dem Herrn die Augen mit einer politischen Binde die Sicht nimmt. Es hat sich seit dem Reichstag zu Worms doch nichts geändert. Die letzten zwei politischen Systeme (s. Freisler und Benjamin nebst Anhang) sind doch die besten Zeugen. Wer sieht, wie das Grundgesetz, Stück für Stück demontiert wird und ethische abendländische Werte in Frage stellt werden, kann doch erkennen welche Sicht vorgegeben wird. Die Hand die diese Herren füttert, wird doch von Diesen kaum amputiert!