Aus einer Zweitwohnung eine Erstwohnung machen ?

Taxschaf, Samstag, 17.05.2014 (vor 4088 Tagen)

Guten Tag,
wir sind ein älteres Ehepaar und leben in einer Stadt, wo die Steuer besonders happig ist. Außerdem wird diese auch für solche Leute erhoben, die in derselben Stadt ihre Erstwohnung haben. Genau das ist unser Problem.
Wir haben 2000 in dieser Stadt unsere Hauptwohnung gekauft, hier sind wir auch seitdem gemeldet. Da wir nicht so viel Geld hatten, ist die Wohnung relativ klein. 2006 brauchten wir endgültig mehr Raum. Es bot sich die Chance, 3 Häuser weiter eine hübsche Wohnung dazu zu kaufen. Seitdem pendeln wir zwischen beiden Wohnungen und sind glücklich. An ZWS haben wir nie gedacht. Wir finden es absurd, das unser Nachbar, der 250 qm an einem Ort bewohnt, nicht behelligt wird, während wir ordentlich blechen sollen, nur weil unsere 140 qm auf zwei Häuser in derselben Strasse verteilt sind.
Ich habe folgende Fragen:
1.) Wir haben die zweite Wohnung nie deklariert und auch bis dato keinen Bescheid oder Anfrage vorliegen. Was riskieren wir, wenn wir, wie ein Forumsmitglied vorschlägt "die schlafenden Hunde nicht zu wecken" ?

2.) Wir könnten uns pro Forma "trennen", d.h. ein Ehepartner meldet seinen Erstwohnsitz in der anderen Wohnung an.
-Geht das so durch ? Wir haben doch schliesslich das Recht, in zwei verschiedenen Wohnungen zu leben.
- Müssen wir dann auch getrennte Steuererklärungen abgeben ?
- wenn ich mich jetzt nach 8 Jahren auf die andere Wohnung ummelde, wecke ich dann nicht erst recht schlafende Hunde ?

Danke für Rat im Voraus.

Aus einer Zweitwohnung eine Erstwohnung machen ?

Alfred @, Samstag, 17.05.2014 (vor 4088 Tagen) @ Taxschaf

Eine interessante Konstellation.

1. Melderechtlich ist die Situation eigentlich klar: Zwei baulich voneinander unabhängige Wohnungen, die beide zum Wohnen oder Schlafen genutzt werden. Damit besteht Meldepflicht für beide Wohnungen- eine als Haupt-, die andere als Nebenwohnung. Welche der beiden Wohnungen als Hauptwohnung zu registrieren ist, hängt von der behördlicherseits kaum zu kontrollierenden zeitlichen Intensität der Nutzung ab. Die Anmeldung einer seit 2006 benutzten Wohnung ist einigermaßen heikel und kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

2. Zweitwohnungsteuerrechtlich wird vermutlich die Nebenwohnung als Zweitwohnung anzusehen sein und besteuert werden. Auf die Wohnungsgröße kommt es dabei nicht an. Die rückwirkende Registrierung einer Nebenwohnung hat zwangsläufig die rückwirkende Besteuerung zur Folge, ggf. verbunden mit einem Bußgeld. Aus steuerlicher Sicht dürfte es zweckmäßig sein, die kleinere (weniger aufwändige) Wohnung als Nebenwohnung anzugeben, behördlicherseits ist es (s.o.) kaum zu kontrollieren bzw. zu widerlegen.

3. Auch nicht dauernd getrennt lebende Verheirate müssen nicht unbedingt in einer gemeinsamen Wohnung leben. Dies in Deinem Fall zu begründen, stelle ich mir allerdings einigermaßen schwierig vor und dürfte zweitwohnungsteuerrechtlich vmtl. keine Vorteile bringen, evtl. den Steuerbetrag sogar erhöhen.

4. Für konkrete Aussagen müsste ich wissen, in welchem Bundesland bzw. welcher Stadt die Wohnung liegt.

Aus einer Zweitwohnung eine zweite Erstwohnung machen ?

Taxschaf, Dienstag, 20.05.2014 (vor 4084 Tagen) @ Alfred

Danke, Alfred, für die Mühe und die kompetente Antwort. Ich erlaube mir trotzdem noch mal nachzufragen: Meine Frau und ich sind 2 autonome Menschen. wir können doch beschließen, dass wir in 2 Wohnungen getrennt von einander leben wollen und dann meldet jeder von uns in einer der beiden Wohnungen jeweils seinen Erstwohnsitz an. Und dann gäbe es keinen Grund mehr für eine ZWS !! Wie meine Überschrift sagt: "Aus einer Zweitwohnung eine zweite Erstwohnung machen!"
Zu Ihrer Frage, wo wir wohnen: In Baden-Württ. und zwar in einer der Städte mit der höchsten Besteuerung !
Und was mich noch interessiert: Falls wir zahlen müssen, wie viele Jahre gehen sie zurück ? Wie hoch wäre evtl. Bussgeld ?

Vielen Dank und beste Grüsse
Taxschaf

Aus einer Zweitwohnung eine zweite Erstwohnung machen ?

Alfred @, Dienstag, 20.05.2014 (vor 4084 Tagen) @ Taxschaf

Reden wir nicht über Wohnsitze – die kann man nicht anmelden. Es geht ums Melderecht und mit Blick auf die ZWSt wäre es nur dann sinnvoll, wenn jeder von Euch jeweils eine der Wohnungen als alleinige Wohnung registrieren ließe. Das ist nicht unmöglich. In besonders gelagerten Einzelfällen ist auch bei nicht getrennt lebenden Ehepaaren anzuerkennen, dass diese melderechtlich jeweils eine alleinige Wohnung haben können. Aber das muss plausibel begründet und ggf. nachgewiesen werden. Dazu finder sich hier ein relativ frisches Urteil:
http://www.landesanwaltschaft.bayern.de/images/PDFs/2013/5a1661b.pdf
Bitte lesen und ggf. wieder nachfragen

Falls wir zahlen müssen, wie viele Jahre gehen sie zurück? Wie hoch wäre evtl. Bussgeld ?

Diese Frage lässt sich nur anhand der Satzung der steuererhebenden Kommune beantworten.

Aus einer Zweitwohnung eine zweite Erstwohnung machen ?

Taxschaf, Mittwoch, 21.05.2014 (vor 4083 Tagen) @ Alfred

Danke, Alfred, ich habe das Urteil mit grossem Interesse gelesen und das hilft mir echt weiter. Meine Frau und ich muessten also begründen, warum wir - obwohl verheiratet - getrennt leben wollen und jeweils einen eigenen Hauptwohnsitz geltend machen. Ich kann sogar gute Gründe vorbringen, bessere vielleicht als der Mann in dem besagten Urteil. Das ist aber sehr persönlich und mir widerstrebt es zutiefst, wegen so einer ZWS mein intimes und Privatleben offen zu legen.
Bleibt die Frage, ob ich nun zum Amt gehen sollte und die ganze Sache lostreten, oder es einfach drauf ankommen lassen nach dem Motto "Gehe nie zu Deinem Fürsten, wenn Du nicht gerufen wirst" ? Ich weiss schon was Sie mir antworten. TROTZDEM frage ich noch mal. Was rate Sie rein gefühlsmäßig oder aufrund evtl. Erfahrungen ?
Ich finde es phantastisch, wie Sie anderen Menschen helfen und das sogar anonym. Herzlichen Dank noch einmal und Gruss Taxschaf

Lob ist Balsam für die Seele

Alfred @, Montag, 26.05.2014 (vor 4079 Tagen) @ Taxschaf

Das Widerstreben verstehe ich, erschwert mir aber eine konkrete Beurteilung Deiner Gründe und die Beantwortung Deiner Frage.

Was ich denke? Der Teufel ist ein Eichhörnchen und die Wohnungssituation in der Schwebe zu lassen, kann nach hinten losgehen. Das einzige Problem bei einer melderechtlichen Registrierung ist die Frage nach dem Tag des Einzugs. Der sollte möglichst, so sieht das MG B-W vor, nicht mehr als eine Woche vor dem Tag der Anmeldung liegen. Das muss halt nachvollziehbar begründet werden (für einen Katholiken leicht möglich).

Was ich tun würde? Wenn die Balkanvariante nicht greift und da ich Deine Gründe nicht kenne, würde ich die „billigere“ Wohnung als Nebenwohnung registrieren lassen und (zähneknirschend) ZWSt zahlen. Dann gibt es zumindest keine Schwierigkeiten mit der Verwaltung und auch keine unerwarteten Entscheidungen.