Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Thomas Weihermüller @, Samstag, 03.06.2006 (vor 6801 Tagen)

In den Tiefen des Threads zu [link=http://zweitwohnsitzsteuer.de/forum/index.php>id=283]meinem Interview[/link] haben "Fee" unf "Tilly" eine Fachdiskussion zu der im Artikel von Meier / Juhre (z.B. in KStZ 2005, 167) vorgebrachten Kritik an dem hier schon sattsam erwähnten Urteil des VG Lüneburg "angezettelt". Um der strukturellen Klarheit willen mach ich dazu mal einen eigenen Thread auf.

Gut, also dann:

Bei der Zweitwohnungssteuer handelt es sich um eine Aufwandsteuer i.S. v. Art. 105 Abs. 2a GG. Mit einer solchen Steuer soll der Aufwand einer Besteuerung unterzogen werden, den sich jemand über die Kosten seiner notwendigen Lebenshaltung hinaus zusätzlich "leisten" kann. Dies deshalb, weil sich in diesem Mehraufwand eben gerade eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betreffenden Person dokumentiert, die teilweise abgeschöpft und der Finanzierung von Aufgaben des Gemeinwohls zugeführt, vulgo: besteuert, werden darf.

These:

Mal abgesehen von dem ja jetzt in Karlsruhe ausgeurteilten Fall der Eheleute behaupte ich mal, daß es keine Fallgestaltung gibt, bei der eine Nebenwohnung nicht "Ausdruck besonderer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit" wäre.

Beispiel:

Herr X habe in A-Dorf im Jugendzimmer bei seinen Eltern seinen Hauptwohnsitz und sei am Studienort B-Stadt in einem Ein-Zimmer-Appartment (meinetwegen auch in einer WG) mit Nebenwohnung gemeldet.

Wenn der X sich melderechtskonform verhält - wovon für steuerrechtliche Zwecke auszugehen ist, denn die Steuersatzung kann keine Ausnahmeregelungen treffen für Fälle, in denen jemand gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt -, benutzt X sein Jugendzimmer in A "vorwiegend" bzw. liegt "der Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen" in A (z.B. § 12 Abs. 2 SächsMG). Daraus kann alternativ nur folgendes geschlossen werden:

- Entweder der X fährt nach Absolvierung seiner Vorlesungen und Seminare tatsächlich überwiegend wieder nach Hause und hat die Wohnung in B nur "bequemlichkeitshalber" inne für die Tage, an denen es doch einmal später wird und kein Bus mehr fährt. "Bequemlichkeitshalber" inne gehabte Wohnungen sind aber ja gerade Wohnungen, die sich jemand über die Kosten seiner notwendigen Lebenshaltung hinaus zusätzlich "leisten" kann, also wäre die Erhebung der ZwWhgSt gerechtfertigt,

- oder der X hält sein Studium und damit die Ausbildung für seinen späteren Lebensberuf nicht für den "Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen", mithin (Vorsicht: Provokation!) also für sein Hobby - dann ist die Erhebung einer Aufwandsteuer erst recht gerechtfertigt.

Für die Feststellung, daß die Nebenwohnung in B in diesem Sinne steuerbarer "Mehraufwand" ist, kommt es - wie dem vorstehenden Beispiel zu entnehmen ist - auf die Art und Beschaffenheit der Hauptwohnung überhaupt nicht an. Und genau zu dieser Schlußfolgerung kommen Meier / Juhre im letzten Absatz zu Gliederungspunkt 1.3 zum "Ersten Problembereich" des Artikels. Und genau diese Schlufolgerung funktioniert eben nur, wenn die ZwWhgSt-Satzung auf das Melderecht Bezug nimmt und sich nicht - wie weiland in Lüneburg - lediglich mit Baubeschreibungen von Wohnungen abgibt.

So, und nun bin ich mal gespannt, ob und wie die Diskusion weitergeht ;-)

Thomas Weihermüller
Steueramt Dresden

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

stefanie @, Samstag, 03.06.2006 (vor 6801 Tagen) @ Thomas Weihermüller

Zum obigen Beispiel gibt es aber noch eine Alternative:

Student hat Mo-Mi Woche, fährt montags früh zur Unistadt, um an der Mittagsvorlesung teilzunehmen und Mittwoch nachmittag nach der AG wieder zurück. Damit hält er sich überwiegend nicht in der Unistadt auf. Er braucht aber mit der tollen DB 3 Stunden pro Fahrt und kann daher nicht jeden Tag zur Uni fahren und zurück. Seine Lebensbeziehungen (damit ist nicht nur der Beruf gemeint) liegt damit nicht in der Unistadt, sondern dort wo er mit Freunden und Verwandten zu tun hat, nämlich in der Heimatstadt, weil er in der Unistadt viel zu selten ist. Außerdem hat Student nur lausiges Zimmer im Studentenwohnheim, wo er noch nicht mal seine Lebensbeziehungen pflegen kann. ;-)

Anzumerken ist auch, dass es nicht davon abhängen kann, ob der Steuerpflichtige die Möglichkeit hatte durch die Ummeldung der Steuer zu entgehen, das Melderecht hat nämlich einen ganz anderen Regelungsgehalt. So hat es auch das VG Lüneburg gesehen.

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Thomas Weihermüller @, Sonntag, 04.06.2006 (vor 6800 Tagen) @ stefanie

» Anzumerken ist auch, dass es nicht davon abhängen kann, ob der
» Steuerpflichtige die Möglichkeit hatte durch die Ummeldung der Steuer zu
» entgehen, ...

Ich glaube - und das habe ich in dem Interview versucht, rüberzubringen - das sieht das BVerfG in der Entscheidung vom 11.10.05 anders:

"Von der steuerlichen Belastung durch die Zweitwohnungsteuer werden solche Personen nicht erfasst, die nicht infolge einer ehelichen Bindung von der Verlegung ihres Hauptwohnsitzes an ihren Beschäftigungsort abgehalten werden."

Damit meint das BVerfG wohl nicht nur den melderechtlichen "Tausch" von Haupt- und Nebenwohnung, sondern den kompletten Umzug (!) z.B. an den Studienort: Wer seinen Lebensunterhalt in B verdient oder sich dazu ausbilden läßt, von dem kann im Zweifel verlangt werden, komplett nach B umzuziehen, wenn er der ZwWhgSt entgehen will - es sei denn, seine Lebensbeziehungen in A stehen unter dem besonderen Schutz von Art. 6 GG.

In Art. 6 GG ist dann zwar von "Ehe und Familie" die Rede, aber der Schutz des Zusammenlebens dürfte sich nur auf die Eheleute erstrecken. Bei Eheleuten ist dieses Zusammenleben deshalb geschützt ist, weil die Ehe "eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft" ist (vgl. z.B. BVerfGE 10, 59 <66>). Das Zusammenleben von Eltern und volljährigen (!) Kindern ist demgegenüber typischerweise keine "auf Dauer angelegte" Gemeinschaft, im Gegenteil: Üblicherweise werden die Kinder irgendwann "flügge". Deshalb erstreckt sich der Grundrechtsschutz aus Art. 6 GG zwar sicherlich auch noch auf vielfältige andere Beziehungen von Eltern mit ihren "großen" Kindern, aber kaum auf das Recht zum Zusammenleben.

Thomas Weihermüller
Steueramt Dresden

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stefanie @, Sonntag, 04.06.2006 (vor 6800 Tagen) @ Thomas Weihermüller

» Ich glaube - und das habe ich in dem Interview versucht, rüberzubringen -
» das sieht das BVerfG in der Entscheidung vom 11.10.05 anders:
»
» "Von der steuerlichen Belastung durch die Zweitwohnungsteuer werden
» solche Personen nicht erfasst, die nicht infolge einer ehelichen Bindung
» von der Verlegung ihres Hauptwohnsitzes an ihren Beschäftigungsort
» abgehalten werden."

Nun ja wenn ich mich richtig erinnere ging es doch um Art. 3 GG und das Personen aufgrund ihrer ehelichen Bindung nicht die Möglichkeit haben sich umzumelden und deshalb benachteiligt sind. Dabei stellt das BVerfG aber imho gerade nicht fest, dass die Steuer berechtigt ist, wenn man sich doch ohne Probleme ummelden könnte. Sowas würde ein Gericht sicherlich auch nie feststellen. Dann kann man ja auch sagen: gehen sie am besten gar nicht erst arbeiten, dann müssen sie auch nicht die Rechtmäßgkeit ihres Einkommenssteuerbescheides anzweifeln etc.

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Thomas Weihermüller @, Sonntag, 04.06.2006 (vor 6800 Tagen) @ stefanie

» Nun ja wenn ich mich richtig erinnere ging es doch um Art. 3 GG ...

Sorry, "stefanie", manchmal ist Nachlesen doch praktischer als "richtig erinnern":

http://www.zweitwohnsitzsteuer.de/>page=5
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/frames/rs20051011_1bvr123200

Trotzdem - nichts für ungut !

Thomas W.

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Fee, Sonntag, 04.06.2006 (vor 6800 Tagen) @ Thomas Weihermüller

Hallo Thomas,

soll das jetzt eine Fach- oder Glaubensdikussion werden, bei der u.a. das Erinnerungsvermögen gestestet wird>

Fangen wir mit dem ersten Glaubenspunkt an: Wer glaubt denn, dass die ZWStS der Stadt Lüneburg nicht an das Melderecht anküpft> An was denn sonst> Sie erklärt - genau so wie die der Stadt Dresden - jede Nebenwohnung zur Zweitwohnung.

Gruß

Fee

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Tilly, Sonntag, 04.06.2006 (vor 6800 Tagen) @ Thomas Weihermüller

Hallo Thomas,

da kann man ja richtig ins feelosofieren kommen.

Also, wenn das Verfassungsgericht etwas klar und deutlich sagt, dann kann einem das zwar nicht passen, aber man sollte nicht glauben, dass es etwas anderes gemeint hat.

» Damit meint das BVerfG wohl nicht nur den melderechtlichen "Tausch" von
» Haupt- und Nebenwohnung, sondern den kompletten Umzug

An die "auf Dauer angelegte Gemeinschaft" der Ehe glauben nur noch wenige - vornehmlich Katholiken - ansonsten spricht man meist von Lebensabschnittspartnerschaften (früher prominente Beispiele: Ex-Kanzler, Ex-Außenminister).

Nicht nur - aber auch - weil ein Student oft von den Unterhaltsleistungen seiner Eltern abhängig ist, fühlt er eine grundgesetzlich geschützte Verbundenheit zur Familie und will/kann gar nicht flügge werden. Das sieht auch das BVerfGer so, wenn es in einem Beschluss so ganz nebenbei bestätigt, dass Studierende üblicherweise keinen Wohnsitz am Studienort begründen (wäre z.B. bei einer Pflichtzuteilung des Studienplatzes auch nachgeradezu lächerlich).


Gruss

Tilly

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stefanie @, Sonntag, 04.06.2006 (vor 6800 Tagen) @ Thomas Weihermüller

» » Nun ja wenn ich mich richtig erinnere ging es doch um Art. 3 GG ...
»
» Sorry, "stefanie", manchmal ist Nachlesen doch praktischer als "richtig
» erinnern":
»
» http://www.zweitwohnsitzsteuer.de/>page=5
» http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/frames/rs20051011_1bvr123200
»
» Trotzdem - nichts für ungut !
»
» Thomas W.

Juristisches Fachwissen allerdings noch praktischer, denn:

"Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, enthält einen besonderen Gleichheitssatz. Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen."

---So heißt es in dem Urteil und wenn man Jura studiert hat, weiß man, dass Art. 3 GG der allgemeine Gleichheitssatz ist und letztlich die gleiche Wirkung wie hier Art. 6 GG hat. Art. 6 GG ist halt nur das speziellere, genauso wie Art. 12 GG das speziellere zu Art. 2 GG ist. Damit bleibt es beim oben Gesagten. Auf mein anderes Argument wollten Sie wohl scheinbar nicht eingehen, aber nichts für ungut. ;-)

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Christian @, Sonntag, 04.06.2006 (vor 6800 Tagen) @ Thomas Weihermüller

Hallo Thomas

die Idee finde ich gut. Dank an Fee und Tilly.

Korinthe am Anfang: BVerfG schreibt seit 2005 Zweitwohnungsteuer mit 1 "s" und passt sich damit der Schreibweise anderer Stellen an (z.B.: Prof. Dr. Bayer, Brockhaus, BMFI). Können wir uns auf diese nunmehr auch höchstrichterlich bestätigte Schreibweise einigen> Ich könnte sonst auf die naheliegende Idee kommen, dass mit Zweitwohnungssteuer etwas anderes gemeint ist, als die bei entsprechender Ausgestaltung rechtlich zulässige Zweitwohnungsteuer

Fangen wir mit Punkt 1 an:
» Bei der Zweitwohnungssteuer handelt es sich um eine Aufwandsteuer i.S. v.
» Art. 105 Abs. 2a GG. Mit einer solchen Steuer soll der Aufwand einer
» Besteuerung unterzogen werden, den sich jemand über die Kosten seiner
» notwendigen Lebenshaltung hinaus zusätzlich "leisten" kann. Dies deshalb,
» weil sich in diesem Mehraufwand eben gerade eine besondere wirtschaftliche
» Leistungsfähigkeit der betreffenden Person dokumentiert, die teilweise
» abgeschöpft und der Finanzierung von Aufgaben des Gemeinwohls zugeführt,
» vulgo: besteuert, werden darf.


Das BVerfGer sagt 2005 dazu:
Aufwandsteuern sind Steuern auf die Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, in der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt. Der Aufwand als ein äußerlich erkennbarer Zustand, für den finanzielle Mittel verwendet werden, ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ...

Also, von Mehraufwand, besonderer Leistungsfähigkeit usw. ist hier überhaupt nicht die Rede. Man könnte also auch eine Krawatten(Selbstbinder-)steuer einführen (keine notwendige Lebenshaltung und in Karnevalszeiten in Köln sogar erzieherisch wertvoll).

» These:
» behaupte ich mal, daß es keine Fallgestaltung gibt, bei
» der eine Nebenwohnung nicht "Ausdruck besonderer wirtschaftlicher
» Leistungsfähigkeit" wäre.

Da gehe ich sogar weiter: Jede Nebenwohnung ist dem Einsatz finanzieller Mittel (Aufwand) verbunden und damit Indikator
wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, die rechtlich zulässig besteuert werden darf.

Aber jetzt kommt Frage 1:

Warum heißt das Ding dann "Zweitwohnungsteuer", wenn doch eine "Nebenwohnungsteuer" viel einfacher und klarer zu formulieren ist>

Die übrigen Punkte/Beispiele/Thesen usw. gehen wir am besten an, wenn Punkt 1 zufriedenstellend geklärt ist.

Gruss

Christian

Praktischer Hinweis am Rande für nicht so tief im Sumpf der Zweitwohnungsteuer Steckende:

KSZ heißt Kommunale Steuer Zeitschrift. In der haben die Essener Experten Norbert Meier und Matthias Juhre einen Artikel "Aktuelle Problemfragen im Zusammenhang mit der Erhebung der Zweitwohnungsteuer bei Studierenden" veröffentlicht. Der Artikel wurde versehentlich 2x veröffentlicht in Kommunale Steuer-Zeitschrift,

Heft 3, März 2005, 54. Jahrgang, Seite 46ff und

Heft 9, September 2005, S. 167-171.

Es genügt wirklich einen der beiden Artikel zu lesen, sie sind identisch.

Sonstige persönliche Anmerkungen zum Inhalt spare ich mir, sie könnten empfindsame Gemüter verletzen.

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Thomas Weihermüller @, Sonntag, 04.06.2006 (vor 6799 Tagen) @ Tilly

» Das sieht
» auch das BVerfGer so, wenn es in einem Beschluss so ganz nebenbei
» bestätigt, dass Studierende üblicherweise keinen Wohnsitz am Studienort
» begründen

Gibts da ne Quelle für >

Danke !

Thomas W.

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Thomas Weihermüller @, Sonntag, 04.06.2006 (vor 6799 Tagen) @ Christian

Hallo Christian,

erstmal vielen Dank für die allgemeinverständliche Klärung der von mir verwendeten Abkürzungen - man wir eben doch manchmal betriebsblind ;-)

Aber die "Frage 1" habe ich nicht verstanden:

» Aber jetzt kommt Frage 1:
»
» Warum heißt das Ding dann "Zweitwohnungsteuer", wenn doch eine
» "Nebenwohnungsteuer" viel einfacher und klarer zu formulieren ist>
»
» Die übrigen Punkte/Beispiele/Thesen usw. gehen wir am besten an, wenn
» Punkt 1 zufriedenstellend geklärt ist.

Kommt es wirklich darauf an, wie die Veranstaltung heißt > Warum soll Ihrer Meinung nach nicht die Definition in der Satzung: "Steuerbare Zweitwohnung im Sinne dieser Satzung ist jede Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes" genügen, eventuell noch mit Einschränkungen, welche (melderechtlichen) Nebenwohnungen man ausdrücklich nicht als Zweitwohnung verstanden haben will > Wo sehen Sie da ein Problem >

MfG

Thomas W.

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Tilly, Sonntag, 04.06.2006 (vor 6799 Tagen) @ Thomas Weihermüller

» Gibts da ne Quelle für >

Hallo Thomas,

muss ich suchen.

Kann mich aber ziemlich genau erinnern, weil es ein toller Beschluss war. Ging damals um einen Deutschen, der sich in den USA hatte einbürgern lassen, in Kalifornien einer Minderjährigen zu nahe getreten war und nach der Verurteilung nach Deutschland geflüchtet war und plötzlich wieder Deutscher sein wollte, um nicht ausgeliefert zu werden. Da spielte die Frage des Wohnsitzes irgendwie eine Rolle.

Rühre mich, wenn Aktenzeichen und Datum gefunden.

Gruß

Tilly

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Christian @, Sonntag, 04.06.2006 (vor 6799 Tagen) @ Thomas Weihermüller

Hallo Thomas

» Aber die "Frage 1" habe ich nicht verstanden:


Bitte nicht das Licht unter den Scheffel stellen. Natürlich wurde die Frage verstanden.

Selbstverständlich kommt es darauf an, wie die Veranstaltung heißt, wenn der Steuergegenstand das Innehaben einer Zweitwohnung sein soll. Und auf den Begriff "Zweitwohnung" hat das BVerfG 1983 ein Monopol angemeldet. Bei aller Gestaltungsfreiheit der Kommunen erwarten die Herren doch, dass man diesem Monopol gerecht wird und nicht "im Sinne dieser Satzung" beliebig umformuliert. Was im Falle des Ungehorsams passiert, kann man 2005 recht eindrucksvoll nachlesen.


Kleines Beispiel: Ich möchte mal den Fall eines verheiateten, nicht dauernd getrennt lebenden Dresdners, der aus beruflichen Gründen in Dresden eine Zweitwohnung hält, vor dem Verwaltungsgericht erleben, wenn er gegen die Veranlagung zur ZWSt klagt.

Preisfrage an alle: Wie MUSS das VG entscheiden>

Da sehe ich nun wirklich kein Problem.

Die Zweitwohnungsteuer ist bei entsprechender Ausgestaltung eine rechtlich zulässige örtliche Aufwandsteuer. Die Dresdner Nebenwohnungsteuer (alias "Zweitwohnungsteuer") muss sich dieses Prädikat erst noch verdienen. Da sehe ich das Problem.

Zwei kleine Ergänzungen noch:

1. Ob eine Steuer gerechtfertigt ist oder nicht, kann kein ernsthafter Diskussionsgegenstand sein - das ist eher eine moralische Frage. Wenn überhaupt sollten wir nur über die Rechtmäßigkeit der (selbsternannten) Zweitwohnungsteuer sprechen.


2. An Tilly: Suchen einstellen. Gemeint ist wohl der Beschluss BVerfG vom 22.06.90, - 2 BvR 116/90, der den Satz enthält: "Nach herrschender Meinung begründet ein Student am Universitätsort nur unter besonderen Umständen einen Wohnsitz; der Wille, sich ständig an einem Ort nieder-zulassen, fehlt regelmäßig bei einem Aufenthalt am Ort des Studiums." - Das kommt m.E. der von dir gewählten Formulierung "üblicherweise ... keinen Wohnsitz" recht nahe und ist nicht sinnentstellend. Kleine Korrektur dennoch: Es war keine Minderjährige (Originalton BVerfG: "Er hatte sich am 16. November 1982 im Municipal Court für den San-Joaquin-Bezirk in Stockton für schuldig bekannt, achtmal an einer männlichen Person unter 16 Jahren sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben."). Das hat aber nun mit einer Zweitwohnung wirklich nichts mehr zu tun.


Mit freundlichen Grüßen

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Thomas Weihermüller @, Montag, 05.06.2006 (vor 6799 Tagen) @ Fee

» soll das jetzt eine Fach- oder Glaubensdikussion werden, ...

Ist in einer gut sortierten (mithin: gewaltengeteilten) Demokratie nicht jede Rechtsmeinung, die noch keinen richterlichen Segen hat, ein Credo > Irgendwo muß der Vergleich von Gericht und Hoher See ja herkommen ...

Aber jetzt geraten wir wohl endgültig aus den Niederungen des eigentlichen Themas in philosophisch-theologische Sphären ...

Schönen Pfingsttag einstweilen

Thomas W.

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Christian @, Montag, 05.06.2006 (vor 6799 Tagen) @ Thomas Weihermüller

» Ist in einer gut sortierten (mithin: gewaltengeteilten) Demokratie nicht
» jede Rechtsmeinung, die noch keinen richterlichen Segen hat, ein Credo >
» Irgendwo muß der Vergleich von Gericht und Hoher See ja herkommen ...
»
» Aber jetzt geraten wir wohl endgültig aus den Niederungen des eigentlichen
» Themas in philosophisch-theologische Sphären ...


Hallo Fee, hallo Thomas

Verfassunganspruch und Verfassungswirklichkeit: wäre wirklich ein hübsches Thema. Gerade zu Pfingsten, wo der Hl. Geist doch alle (>) erleúchtet hat. Es juckt richtig in den Fingern, wenn ich an die Theorie der Gewaltenteilung und die bei uns geltende Praxis denke. Als Nebenthema wäre dazu passend: "Abgeordnete sind nur ihrem Gewissen verpflichtet" oder: "Der kommunale Gesetzgeber als Garant individueller Freiheit und gleichheit".

Nein, allen Ernstes, davon sollten wir wirklich die Finger lassen und bei der ZweitwohnungSteuer bleiben.

Wenn ich in einem Beitrag "Credo" geschrieben habe, nehme ich das hiermit zurück. Streiche: "Credo", setze "unverrückbare Rechtsgrundsätze".

Ergänzung am Rande: Vor Gericht und auf hoher See sind alle gleich - aber nicht vor einer Zweitwohnungsteuersatzung.


Grüße

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Thomas Weihermüller @, Montag, 05.06.2006 (vor 6798 Tagen) @ Christian

Okay, damit hätten wir m.E. folgende Fragen an die Verwaltungsgerichtsbarkeit herausgearbeitet:

1.) Kann eine "Nebenwohnsitzsteuer" noch unter der Flagge der einst für Überlingen verfassungsrechtlich abgesegneten Zweitwohnungsteuer segeln oder handelt es sich nicht vielmehr um eine neue, andere Steuerart, weil jetzt - wegen der politischen Zielstellung der Großstädte, die Zahl der Hauptwohner zu mehren - das Melderecht unmittelbar als Anknüpfungspunkt dient >

2.) Wenn es keine Zweitwohnungsteuer im herkömmlichen Sinne mehr ist, ist die "neue" Steuer dann trotzdem eine zulässige Aufwandsteuer > Oder darf trotz allem nur - wie weiland 1983 - "das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung" als Anknüpfungspunkt der Steuer dienen mit der logischen Konsequenz, daß die Hauptwohnung auch eine "Wohnung" sein muß >

Oder >>

Achja, die Sache mit dem Sexualtäter aus Kalifornien:

http://www.justiz.hessen.de/VGRecht/Rechtsp.nsf/8416211c85cf40b3c12563960077ce38/d1d101...

Ich halte den Wohnsitzbegriff, den das BVerfG in diesem Urteil heranzieht, um staatbürgerschaftliche Fragen zu erörtern, nicht für vergleichbar mit dem melderechtlichen Begriff der Haupt- oder Nebenwohnung. Aber natürlich weiß man nie ... ;-)

MfG

Thomas W.

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Christian @, Dienstag, 06.06.2006 (vor 6798 Tagen) @ Thomas Weihermüller

Hallo Thomas,

Achtung, Antwort ist lang.

» 1.) Kann eine "Nebenwohnsitzsteuer" noch unter der Flagge der einst für
» Überlingen verfassungsrechtlich abgesegneten Zweitwohnungsteuer segeln
» oder handelt es sich nicht vielmehr um eine neue, andere Steuerart, weil
» jetzt - wegen der politischen Zielstellung der Großstädte, die Zahl der
» Hauptwohner zu mehren - das Melderecht unmittelbar als Anknüpfungspunkt
» dient >


1. a) Vorab: Nur „Nebenwohnungsteuer“ ist richtig.
Mein Rumhacken auf dem Begriff „Wohnsitz“ ist mehr als eine Korinthe.
Wohnsitz bezeichnet üblicherweise die kleinste Verwaltungseinheit (also Stadt oder Kommune) in der jemand seine Wohnung ständig oder unter Umständen innehat (!), die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (nachzulesen ist das u.a. im ARD-Ratgeber Recht und einschlägiger Literatur; allerdings nicht bei Meier/Juhre).
Ich habe das Melderechtsrahmengesetz des Bundes sowie die Meldegesetze Bayerns und NRW überprüft (mit Suchfunktion Acrobat Reader): Das Wort „Wohnsitz“ kommt kein einziges Mal vor. Die Meldegesetze der anderen Länder dürften nicht viel anders aussehen.
Die Städte nutzen diesen Begriff gerne, um zu suggerieren, dass Wohnsitz und melderechtliche Wohnung nur Synonyme wären. Neckischerweise habe ich den „Wohnsitz“ bisher auch in keiner „Zweitwohnungsteuersatzung“ gefunden - er taucht dann erst in der Steuererklärung, im Anschreiben und in den Erläuterungen auf und klingt ganz harmlos. Fragt man nach, kriegt man zu hören: „Das ist doch das Gleiche“ und „Wir wollten nicht immer das gleiche Wort verwenden, um den Text besser lesbar zu machen“. Das ist schlicht gelogen oder Unwissenheit - für eine gut erzogene Verwaltung läuft das auf das Gleiche hinaus. Es passt auch sehr gut zu unserem eigentlichen Thema „Meier/Juhre“ (KStZ 9/2005). Beide jonglieren in rechtlich unverantwortlicher Weise mit dem Wohnsitz und dem „Dummhalten“ der Normadressaten.
1. b) Eine „Nebenwohnungsteuer“ kann m. E. nicht unter dem für die Zweitwohnung erteilten Segen des BVerfG segeln, denn die Zweitwohnung setzt immer das Innehaben von mehr als einer Wohnung voraus (steht z. B. auch in der Satzung der Stadt Dresden).
Die diesbezüglich andere Auffassung von Meier/Juhre - das völlige Ignorieren des Innehabens einer Hauptwohnung sei im Rahmen einer ZWEITwohnungsteuersatzung zulässig -, erscheint mir - mit Verlaub gesagt - ziemlich absurd zu sein und wurde bisher auch von keinem Gericht bestätigt. In vielen Verhandlungen stellte sich die Frage überhaupt nicht, in anderen haben sich die „Melderechtssatzungen“ bisher erfolgreich durchmogeln können, weil die Kläger das nicht aufgegriffen haben (das wäre ein weiteres, interessantes Thema: „Wie muss ich vor einem Verwaltungsgericht klagen, um zu meinem Recht zu kommen>“).

» 2.) Wenn es keine Zweitwohnungsteuer im herkömmlichen Sinne mehr ist, ist
» die "neue" Steuer dann trotzdem eine zulässige Aufwandsteuer > Oder darf
» trotz allem nur - wie weiland 1983 - "das Innehaben einer weiteren Wohnung
» für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung"
» als Anknüpfungspunkt der Steuer dienen mit der logischen Konsequenz, daß
» die Hauptwohnung auch eine "Wohnung" sein muß >

2. a) Die „Nebenwohnungsteuer“ als rechtlich zulässige örtliche Aufwandsteuer hätte ich bei entsprechender Gestaltung bis Oktober 2005 grundsätzlich für unbedenklich gehalten. Sie wäre zwar eine neue Steuer, aber warum auch nicht> Das Steuer(er)findungsrecht liegt schließlich bei den Kommunen. Auch eine „Ferienwohnungsteuer“ wäre möglich (für die ursprüngliche Überlinger Satzung als Bezeichnung sogar angebrachter gewesen). Klare Begriffe - jeder versteht was gemeint ist - übersichtliche Rechtslage - was will man mehr (außer keine Steuern zahlen zu müssen).
„Das Innehaben einer Nebenwohnung für den persönlichen Lebensbedarf ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt.“
Da sage ich erst Mal: Passt! Das ist als Begründung für eine Aufwandsteuer allemal tragfähig. Aber die Zeiten sind nicht mehr so - nun müssen zu viele Ausnahmen gemacht werden.
Persönlich bin ich der Auffassung, dass sich eine „Nebenwohnungsteuer“ nicht (mehr) sauber hinkriegen lässt - die Thematik ist zu komplex. Bei der Ferienwohnung wäre das einfacher.
2. b) Der Wunsch der Städte, möglichst viel Bürger zu gewinnen, ist verständlich und legitim. Mit den „Melderechtsatzungen“ geht das aber nur zu Lasten anderer Gemeinden. Da wäre die Frage (eigener Diskussionspunkt>) zu betrachten, ob bei einer derartigen Steuer noch die „örtliche Begebenheit“ bestätigt werden kann, die nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle führt. Schließlich darf die - grundsätzlich zulässige - Lenkungswirkung nicht zum Schaden für andere werden.
2. c) Kleiner Ausflug ins Sentimentale: Gibt es so etwas wie eine gegenseitige Treuepflicht der Gemeinden untereinander> Z.B. fällt für eine kleine Gemeinde im Erzgebirge der Verlust eines Bürgers stärker ins Gewicht, als der Zugewinn in Dresden. Wäre ich Bürgermeister einer kleinen Landgemeinde, würde ich diese Frage mal dem Deutschen Städte- und Gemeindebund stellen.
Und: „Ihr lasst uns ausbluten mit eurer Zweitwohnungsteuer!“ - diese Klage kommt mir irgendwie bekannt vor.
2. d) Statt „… im herkömmlichen Sinne mehr …“ sage ich lieber „… im rechtlich zulässigen Rahmen …“
2. e) Die einzige, logische und rechtliche Konsequenz aus den Beschlüssen des BVerfG ist, dass die Hauptwohnung (zur besseren Unterscheidung wäre durchgängig „Erstwohnung“ zweckmäßiger) nicht nur eine „Wohnung“ (Was ist eine Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf> Auch ein interessanter Diskussionspunkt) - sein muss, sie muss auch innegehabt werden.

» Ich halte den Wohnsitzbegriff, den das BVerfG in diesem Urteil heranzieht,
» um staatbürgerschaftliche Fragen zu erörtern, nicht für vergleichbar mit
» dem melderechtlichen Begriff der Haupt- oder Nebenwohnung. Aber natürlich
» weiß man nie ... ;-)

Die Wohnsitzdefinition verändert sich nicht je nachdem, welche Fragestellung gerade erörtert werden soll. Sie ergibt sich aus dem BGB und der Abgabenordung des Bundes und ist durchgängig anzuwenden. Alles andere ist sprachliche Unzucht - womit wir wieder in Kalifornien wären.
Aus der Wohnsitzdefinition ergibt sich m. E. ziemlich deutlich, dass das „Kalifornienurteil“ auf Studenten sehr gut passt. Selbst wenn ein Student am Studienort eine Wohnung innehat, kann man nicht von vorneherein davon ausgehen, dass er beabsichtigt, sich dort ständig - oder zumindest nicht nur vorübergehend - nieder zu lassen.
Klare Begriffe - … (siehe oben).

Mit besten Grüßen

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Thomas Weihermüller @, Dienstag, 06.06.2006 (vor 6798 Tagen) @ Christian

Hallo Christian,

Achtung: Antwort wird vermutlich auch nicht viel kürzer ;-)

Erstmal nochmal der erneute Versuch, den gerichtlichen Klärungsbedarf „auf den Punkt“ zu bringen:

Besteuerungsgegenstand der ZwWhgSt ist die Zweitwohnung. Diese ist häufig - u.a. in Dresden - wie folgt definiert: “Zweitwohnung ist jede Wohnung, die jemand als (melderechtliche) Nebenwohnung neben seiner Hauptwohnung für seinen persönlichen Lebensbedarf inne hat.“ - mit der satzungsinternen Definition, was eine „Wohnung“ sein soll.

Offene Frage 1: Ist bei einer derartigen Definition mit dem Wort „Hauptwohnung“ nur der melderechtliche Hauptwohnungsbegriff gemeint (Auffassung der Städte, weil die Abgrenzung zum vorhergehenden melderechtlichen Nebenwohnungsbegriff gemeint ist) oder muß man auf diesen Begriff auch die satzungsinterne Wohnungsdefinition anwenden (so VG Lüneburg) >

Offene Frage 2: Folgt aus der Formulierung “Nebenwohnung neben seiner Hauptwohnung ... inne haben“, daß auch die Hauptwohnung „inne gehabt“ werden muß > Wenn ja, genügt dann die tatsächliche Verfügungsgewalt über die als Hauptwohnung genutzten Räumlichkeiten, oder ist hier ebenfalls - wie unstreitig für die als Nebenwohnung genutzten Räumlichkeiten (OVG Münster, Urteil vom 23. April 1993, Az: 22 A 3850/92, KStZ 1994, 12) - auch die rechtlich gesicherte Verfügungsgewalt zu verlangen > Und schließlich: Hat ein Studierender über das Jugendzimmer bei seinen Eltern in diesem Sinne eine „tatsächliche Verfügungsgewalt“, wie es z.B. BFH, Urteil vom 23. November 2000, Az: VI R 107/99, BStBl II 2001, 294 im Zusammmenhang mit der Begründung eines Wohnsitzes annimmt >

Im übrigen stimme ich zu, daß „Wohnsitz“ (§ 7 BGB bzw. § 8 AO) etwas anderes ist als die melderechtlichen Kategorien von „Hauptwohnung“ und „Nebenwohnung“. Der Wohnsitzbegriff ist gerade hinsichlich der Wohnung Studierender in der Studienstadt einigermaßen rechtlich ungeklärt (man lese nur einmal die Kommentierung bei Tipke/Kruse, AO-Kommentar, Rz. 10 zu § 8 AO), daß man direkt froh sein kann, daß die Melderechtler ihre Begriffe halbwegs präzise formuliert haben. Insoweit halte ich auch nix davon, aus dem „Kalifornien-Urteil“ etwas für die melderechtliche Definition der ZwWhgSt abzuleiten. - Wir haben da übrigens auch noch einen kleinen - aber unwesentlichen - Lapsus in unseren Erklärungsvordrucken, der aber umgehend korrigiert werden wird ;-)

Es gibt übrigens noch einen Aufsatz von Schwarz zu den nach dem BVerfG-Urteil vom Oktober noch offenen Rechtsfragen zur Zweitwohungssteuer in ZKF (Zeitschrift für Kommunalfinanzen), 2006, Seite 78. Das „Hauptwohnungsproblem“ spielt darin aber bemerkenswerterweise überhaupt keine Rolle ...

So, und nun noch einige Anmerkungen zu den übrigen angerissenen Fragen:

Evtl. fehlende Örtliche Radizierung der Steuersatzung wegen der Lenkungswirkung (Umzugszwang, um der Steuer zu entgehen): Zu dieser Frage ausführlich BFH, Urteil vom 5. März 1997, Az: II R 28/95, BStBl. II 1997, 469 - Entscheidung zu Gunsten der Stadt Hamburg - Verfassungsbeschwerde nicht angenommen.

Zu den „Sentimentalitäten“: Es gibt zwei bundesweite kommunale Spitzenverbände: Den Deutschen Städte- und Gemeindebund und den Deutschen Städtetag. Aus dieser Tatsache läßt sich an sich schon schließen, daß es kommunalpolitisch auch Differenzstandpunkte gibt. Ein wesentlicher politischer Streitpunkt ist schon immer, daß die Finanzausstattung von den als Oberzentren agierenden großen Städten als zu niedrig angesehen wird: In diesen Städten konzentrieren sich die Sozialausgaben, diese Städte halten Infrastruktur auch für das Umland bereit (ÖPNV, Kultur- und Bildungseinrichtungen ...). Insoweit finden permanent politische Verteilungskämpfe statt, bei denen auch die ZwWhgSt. eine Rolle spielt.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Weihermüller

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Fee, Dienstag, 06.06.2006 (vor 6798 Tagen) @ Christian

» Kleines Beispiel: Ich möchte mal den Fall eines verheiateten, nicht
» dauernd getrennt lebenden Dresdners, der aus beruflichen Gründen in
» Dresden eine Zweitwohnung hält, vor dem Verwaltungsgericht erleben, wenn
» er gegen die Veranlagung zur ZWSt klagt.
»
» Preisfrage an alle: Wie MUSS das VG entscheiden>

Hallo Christian
Damit meinst Du doch sicher, dass der Satz „Keine Zweitwohnungen im Sinne dieser Satzung sind Wohnungen, die verheiratete und nicht dauernd getrennt lebende Personen aus beruflichen Gründen in Dresden innehaben, wenn sich die Hauptwohnung der Eheleute außerhalb Dresdens befindet“ nicht ausreicht, oder>
Auch Eheleute, die mit Haupt- und Nebenwohnung in Dresden gemeldet sind, dürfen nicht mit der Zweitwohnungsteuer behelligt werden, stimmt’s>
Dann gilt das doch sicher auch, dass „aus beruflichen Gründen“ analog auch für Studierende und Auszubildende anzuwenden wäre, richtig>
Die Preisfrage beantworte ich mit: Das Verwaltungsgericht muss dem Kläger Recht geben. Habe ich gewonnen>
Gruß
Fee

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Yvonne Winkler @, Dienstag, 06.06.2006 (vor 6798 Tagen) @ Fee

» Preisfrage an alle: Wie MUSS das VG entscheiden>
»
» Hallo Christian
» Damit meinst Du doch sicher, dass der Satz „Keine Zweitwohnungen im Sinne
» dieser Satzung sind Wohnungen, die verheiratete und nicht dauernd getrennt
» lebende Personen aus beruflichen Gründen in Dresden innehaben, wenn sich
» die Hauptwohnung der Eheleute außerhalb Dresdens befindet“ nicht
» ausreicht, oder>
» Auch Eheleute, die mit Haupt- und Nebenwohnung in Dresden gemeldet sind,
» dürfen nicht mit der Zweitwohnungsteuer behelligt werden, stimmt’s>
» Dann gilt das doch sicher auch, dass „aus beruflichen Gründen“ analog auch
» für Studierende und Auszubildende anzuwenden wäre, richtig>
» Die Preisfrage beantworte ich mit: Das Verwaltungsgericht muss dem Kläger
» Recht geben. Habe ich gewonnen>
» Gruß
» Fee

Aber nur, wenn sie verheiratet und nicht dauernd getrennt lebend sind. Probiert`s doch einfach mal aus!:-P

VG freut sich vielleicht über ein bischen Arbeit :-D

Gruß
Yvonne Winkler

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Christian @, Dienstag, 06.06.2006 (vor 6798 Tagen) @ Thomas Weihermüller

Hallo Thomas,

Der Ordnung halber vorweg:

1. Die Antwort zu unserer unterschiedlichen Auffassung vom Wesen der Aufwandsteuer steht noch aus.
Wird denn da wirklich eine „besondere“ wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder ein „besonderer“ Aufwand verlangt>
Da sind wir mit der Diskussion evtl. noch lange nicht am Ende.

2. Und wie wollen wir es mit dem Unterschied zwischen „gerechtfertigt“ und „rechtmäßig“ halten> Ausdiskutieren oder auf „rechtmäßig“ beschränken>

Zu den Fragen:

Besteuerungsgegenstand der ZwWhgSt ist die Zweitwohnung. Diese ist häufig - u.a. in Dresden - wie folgt definiert: “Zweitwohnung ist jede Wohnung, die jemand als (melderechtliche) Nebenwohnung neben seiner Hauptwohnung für seinen persönlichen Lebensbedarf inne hat.“ - mit der satzungsinternen Definition, was eine „Wohnung“ sein soll.
Offene Frage 1: Ist bei einer derartigen Definition mit dem Wort „Hauptwohnung“ nur der melderechtliche Hauptwohnungsbegriff gemeint (Auffassung der Städte, weil die Abgrenzung zum vorhergehenden melderechtlichen Nebenwohnungsbegriff gemeint ist) oder muß man auf diesen Begriff auch die satzungsinterne Wohnungsdefinition anwenden (so VG Lüneburg) >


Also: Steuergegenstand ist m. E. das Innehaben einer Zweitwohnung, nicht die Zweitwohnung (vgl.: Hundsteuer).
Der Wohnungsbegriff wäre mir ziemlich egal, er muss nur dem persönlichen/privaten Bedarf „Wohnen“ einigermaßen gerecht werden. Da reicht ein umschlossener Raum einfach nicht. Urteile dazu gibt’s schon. Und er muss auf jeden Fall für beide Wohnungen gelten (ergibt sich schon aus dem Wortlaut der meisten Satzungen).
Und die melderechtlichte Wohnungsdefinition hat noch einen Haken: Sie erfasst nur genutzte, nicht aber „vorgehaltene“ Zweitwohnungen (kommt selten vor, ist aber die höchste Stufe des Aufwands, fast schon Luxus).
Fazit: Der melderechtliche Wohnungsbegriff ist von vorneherein für eine ZWStS nicht geeignet, er ist schlicht systemwidrig (sagt z. B. der Bayerische VGH).
Zusatz: Die ZWStS der Stadt Lüneburg knüpft viel enger an das Melderecht an als die Dresdens.

Offene Frage 2: Folgt aus der Formulierung “Nebenwohnung neben seiner Hauptwohnung ... inne haben“, daß auch die Hauptwohnung „inne gehabt“ werden muß > Wenn ja, genügt dann die tatsächliche Verfügungsgewalt über die als Hauptwohnung genutzten Räumlichkeiten, oder ist hier ebenfalls - wie unstreitig für die als Nebenwohnung genutzten Räumlichkeiten (OVG Münster, Urteil vom 23. April 1993, Az: 22 A 3850/92, KStZ 1994, 12) - auch die rechtlich gesicherte Verfügungsgewalt zu verlangen > Und schließlich: Hat ein Studierender über das Jugendzimmer bei seinen Eltern in diesem Sinne eine „tatsächliche Verfügungsgewalt“, wie es z.B. BFH, Urteil vom 23. November 2000, Az: VI R 107/99, BStBl II 2001, 294 im Zusammenhang mit der Begründung eines Wohnsitzes annimmt>


Ja, für die Aufwandsteuer „ZWSt“ ist das Innehaben einer Zweitwohnung untrennbar verbunden mit dem Innehaben einer Hauptwohnung, da halte ich Meier/Juhre eben für unlauter. Und Innehaben ist nun mal Innehaben - ob Jugendzimmer oder Wohnung -, ob Zweit-, Neben-, Erst- oder Hauptwohnung. Der Unterschied zwischen rechtlicher und tatsächlicher Verfügungsmacht> Letztere ist mir zu subjektiv. Ich neige daher zur rechtlichen Verfügungsgewalt. Kriterium des Innehabens wäre für mich, dass ich rechtliche Möglichkeit habe, Dritte von meiner Wohnung auszuschließen. Und dass kann ein Student in der elterlichen Wohnung nun einmal nicht - egal was der BFH sagt.

Im übrigen stimme ich zu, daß „Wohnsitz“ (§ 7 BGB bzw. § 8 AO) etwas anderes ist als die melderechtlichen Kategorien von „Hauptwohnung“ und „Nebenwohnung“.


Dann sind wir uns ja einig und wären nun streng genommen auf der falschen Seite (ZweitWOHNSITZsteuer.de). Aber wir sollten hier bleiben.

Wir haben da übrigens auch noch einen kleinen - aber unwesentlichen - Lapsus in unseren Erklärungsvordrucken, der aber umgehend korrigiert werden wird


Dann hätten wir ja auch schon einen ersten kleinen Erfolg.

Es gibt übrigens noch einen Aufsatz von Schwarz zu den nach dem BVerfG-Urteil vom Oktober noch offenen Rechtsfragen zur Zweitwohnungssteuer in ZKF (Zeitschrift für Kommunalfinanzen), 2006, Seite 78. Das „Hauptwohnungsproblem“ spielt darin aber bemerkenswerterweise überhaupt keine Rolle ...


Danke für den Hinweis, kenne ich noch nicht, werde ich mir besorgen. Aber vorab die Vermutung: Das Hauptwohnungsproblem spielte z.B. in beiden Beschlüssen BVerfG keine Rolle, da zweifelsfrei feststand und nie bestritten wurde, dass die Kläger sowohl die Erst- wie auch die Zweitwohnung innehatten und zur ZWSt herangezogen werden müssen (ja, auch verheiratete …..). Das ist ja gerade das Kreuz mit diesen Urteilen, dass sie immer nur fallbezogen gelesen werden können und dann die Auslegung beginnt - womit wir auf hoher See wären.

Die übrigen, angerissenen Fragen und Sentimentalitäten würde ich gerne zurückstellen, da sie beim derzeitigen Stand der Dinge zu weit vom Grundsätzlichen wegführen. Sorry, dass ich sie überhaupt aufs Tapet gebracht habe.

Herzliche Grüsse

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Tilly, Dienstag, 06.06.2006 (vor 6798 Tagen) @ Yvonne Winkler

Hallo Yvonne,

heiraten, um der ZWSt zu entgehen - eine echte Alternative zum Ummelden!

Zur Preisfrage: Ich stimme wie Fee, was gibt es zu gewinnen>

Gruß

Tilly

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Yvonne Winkler @, Dienstag, 06.06.2006 (vor 6798 Tagen) @ Tilly

Hallo Tilly und Fee,

» heiraten, um der ZWSt zu entgehen - eine echte Alternative zum Ummelden!
»
» Zur Preisfrage: Ich stimme wie Fee, was gibt es zu gewinnen>

einen Mann/Frau fürs Leben :-D
Gruß
Yvonne

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Thomas Weihermüller @, Dienstag, 06.06.2006 (vor 6798 Tagen) @ Christian

Hallo Christian,

zu den "Ordnungspunkten" gebe ich nach nochmaliger ausführlicher Lektüre des BVerfG-Urteils in Sachen Überlingen klein bei ;-)

Damit direkt nochmal zu den Problemfragen:

» Also: Steuergegenstand ist m. E. das Innehaben einer Zweitwohnung, nicht
» die Zweitwohnung (vgl.: Hundsteuer).

-- bis hierhin Konsens --

» Der Wohnungsbegriff wäre mir ziemlich egal, er muss nur dem
» persönlichen/privaten Bedarf „Wohnen“ einigermaßen gerecht werden. Da
» reicht ein umschlossener Raum einfach nicht. Urteile dazu gibt’s schon.

-- wenn da z.B. OVG Magdeburg, 10.08.2002, Az. 2 L 325/02, gemeint ist (es reicht eine Trinkwasserversorgung "in vertretbarer Nähe", 1,5 km Entfernung wäre zu weit weg), immer noch Konsens --

» Und er muss auf jeden Fall für beide Wohnungen gelten (ergibt sich schon
» aus dem Wortlaut der meisten Satzungen).

-- insoweit Arbeit fürs VG --

» Und die melderechtlichte Wohnungsdefinition hat noch einen Haken: Sie
» erfasst nur genutzte, nicht aber „vorgehaltene“ Zweitwohnungen (kommt
» selten vor, ist aber die höchste Stufe des Aufwands, fast schon Luxus).
» Fazit: Der melderechtliche Wohnungsbegriff ist von vorneherein für eine
» ZWStS nicht geeignet, er ist schlicht systemwidrig (sagt z. B. der
» Bayerische VGH).

-- Ich würde eher sagen: Systemwidrig, aber trotzdem geeignet - aber ehe ich mir dazu abschließend eine Meinung bilde, würde ich das gern nachlesen - Quelle zufällig in Reichweite > - Danke ! --

» Ja, für die Aufwandsteuer „ZWSt“ ist das Innehaben einer Zweitwohnung
» untrennbar verbunden mit dem Innehaben einer Hauptwohnung, da halte ich
» Meier/Juhre eben für unlauter. Und Innehaben ist nun mal Innehaben - ob
» Jugendzimmer oder Wohnung -, ob Zweit-, Neben-, Erst- oder Hauptwohnung.
» Der Unterschied zwischen rechtlicher und tatsächlicher Verfügungsmacht>
» Letztere ist mir zu subjektiv. Ich neige daher zur rechtlichen
» Verfügungsgewalt. Kriterium des Innehabens wäre für mich, dass ich
» rechtliche Möglichkeit habe, Dritte von meiner Wohnung auszuschließen. Und
» dass kann ein Student in der elterlichen Wohnung nun einmal nicht - egal
» was der BFH sagt.

-- Auch hier gehe ich auf "Gegenkurs". Der steuerbare Aufwand resultiert m.E. allein aus dem Innehaben der Nebenwohnung -> siehe Eingangsstatement. Also auch wieder was fürs VG.

Trotz der verbleibenden Streitpunkte -
herzliche Grüsse aus Dresden

Thomas Weihermüller

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Christian @, Dienstag, 06.06.2006 (vor 6798 Tagen) @ Fee

Hallo Fee,

Hallo Fee
Zu den ersten drei Fragen: Ja.
Frage 4 beantworte ich erst nach Einsendeschluss.


Übrigens:
Nicht nur Dresdner Bürger profitieren von dem Beschluss des BVerfG von 2005.
Der Beschluss lässt sich z. B. ohne weiteres auch auf Minderjährige übertragen.
Und im Melderechtsrahmengesetz des Bundes werden auch Lebenspartnerschaften fast genau so wie Verheiratete behandelt. Aber dieses Fass wollte ich (vorerst) noch nicht aufmachen, das ist etwas komplizierter.


Auch andere Fallkonstellationen bzgl. Schutz von Ehe und Familie sind nach Auffassung des BVerfG denkbar - da bin ich mir aber noch nicht sicher, wie viele Fässer das überhaupt sind. Und wenn wir genug Ausnahmen haben, die mit der Dresdner Satzung (und allen Vergleichbaren) nicht besteuert werden dürfen, kommen wir wieder mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (siehe Stefanie) um die Ecke und fordern Steuergerechtigkeit. Wenn man denn überhaupt so lange warten muss.


Gruß

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Christian @, Dienstag, 06.06.2006 (vor 6798 Tagen) @ Thomas Weihermüller

Hallo Thomas,

wir kommen doch gut voran. Also weiter!

» -- wenn da z.B. OVG Magdeburg, 10.08.2002, Az. 2 L 325/02, gemeint ist (es
» reicht eine Trinkwasserversorgung "in vertretbarer Nähe", 1,5 km Entfernung
» wäre zu weit weg), immer noch Konsens --
Mit dem Wohnungsbegriff habe ich bisher eigentlich nur am Rande befasst, da ich ihn nicht für besonders wichtig halte (manche Definitionen halte ich allerdings für schäbig, aber das ist nicht einklagbar). Das Urteil OVG Magdeburg kenne ich nicht, aber wahrscheinlich sind wir da nicht weit auseinander - wenn jetzt nicht jemand auf die Idee kommt, daraus den Schluss zu ziehen 1.499,4 m wären nah genug. Da die Aufwandsteuer an den persönlichen Lebensbedarf anknüpft, darf man schon ein bisschen mehr erwarten. Gehen wir mal auch da von Konsens aus.

» » Und er muss auf jeden Fall für beide Wohnungen gelten (ergibt sich
» schon
» » aus dem Wortlaut der meisten Satzungen).
» -- insoweit Arbeit fürs VG --

Na ja, wenn es denn sein muss. Aber eigentlich sollte bereits die praktische Vernunft sagen, dass man in einer Satzung den Begriff „Wohnung“ nicht einerseits definieren und dann beliebig verwenden darf - als Nebenwohnung so, als Zweitwohnung anders und als Erstwohnung überhaupt nicht. Gleicher Begriff, gleicher Inhalt! Wie soll der Normadressat sonst durchblicken>

Rückäußerung oder Dissens>


» -- Ich würde eher sagen: Systemwidrig, aber trotzdem geeignet - aber ehe
» ich mir dazu abschließend eine Meinung bilde, würde ich das gern nachlesen
» - Quelle zufällig in Reichweite > - Danke ! --

Quelle habe ich nur gedruckt (richtig auf echtem Papier), hat mir der Fraktionsvorsitzende der CSU im Bayer. Landtag zukommen lassen. Urteil habe ich bisher nur überflogen. Ob das Urteil schon im Netz ist, habe ich nicht geprüft. Deswegen Aktenzeichen und Auszug aus dem Urteil anbei. Falls noch nicht im Netz, kann ich den Text ggf. komplett einscannen und als Datei mailen.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil des 4. Senats vom 4. April 2006 - 4 N 05.2249.
Auszug:
„Die Tragfähigkeit des Rückgriffs auf das Melderecht wird systematisch durch die Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 2 ZwStS belegt, wonach die An- oder Abmeldung von Personen nach dem Bayerischen Meldegesetz als Anzeige im Sinne dieser Vorschrift gilt. Auch teleologisch löst die Anlehnung an den melderechtlichen Begriff der Hauptwohnung keine Reibungen mit dem Ziel der Zweitwohnungsteuer aus, das Innehaben einer weiteren Wohnung zur persönlichen Lebensführung als Konsum zu treffen. Umgekehrt wäre die Gleichsetzung von Zweitwohnung und Nebenwohnung im melderechtlichen Sinne eher systemfremd, weil der Begriff der Nebenwohnung voraussetzt, dass eine Wohnung benutzt wird.“

Bei der Meinungsbildung bitte beachten, dass:
1. Das BVerfG 1983 schreibt: „Danach ist üblicherweise Inhaber einer Zweitwohnung deren Eigentümer oder Mieter, der sie für seinen privaten Lebensbedarf nutzt oder zu diesem Zweck vorhält.“
2. Es hier um eine Ferienwohnung als Zweitwohnung und eine Familienwohnung als Erstwohnung geht. Beklagte waren Fremdenverkehrsgemeinden, also Typ Überlingen.
3. Die bayerischen Gerichte noch üben (ZWSt erst seit Ende 2004). Die Schreibweise mit dem einfachen s haben sie schon gelernt, dass Aufwand kein Konsum ist, werden sie noch lernen. Ebenso ein paar andere Feinheiten des ZWStRechts, deren unsachgemäße Behandlung in o.a. Urteil noch zu beklagen ist.

» » ...für die Aufwandsteuer „ZWSt“ ist das Innehaben einer Zweitwohnung
» » untrennbar verbunden mit dem Innehaben einer Hauptwohnung,
» -- Auch hier gehe ich auf "Gegenkurs". Der steuerbare Aufwand resultiert
» m.E. allein aus dem Innehaben der Nebenwohnung -> siehe Eingangsstatement.
» Also auch wieder was fürs VG.

Na, ja, die armen Gerichte. Bitte noch mal überdenken:
1. Im Eingangsstatement war noch vom „zusätzlichen/besonderen“ Aufwand für die Zweitwohnung die Rede.
2. Die Festlegung des BVerfG von 1983
„Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt.“
bindet die Zweitwohnung aber unlösbar an die Hauptwohnung, um den Zustand „Aufwand“ zu erzeugen. Das Innehaben gehört zu dieser Bindung.
Begründung: Wenn ich dem BVerfG die Hauptwohnung streiche (was nicht erlaubt ist), hängt die „weitere Wohnung“ im luftleeren Raum.

Auch hier: Rückäußerung oder Dissens>

Gerade wegen der verbleibenden „Streit“punkte -
herzliche Grüsse

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Thomas Weihermüller @, Mittwoch, 07.06.2006 (vor 6797 Tagen) @ Christian

Hallo Christian,

noch einmal vielen Dank für die Übersendung des aktuellen Urteils per Mail. Inzwischen hat sich auch ein Kollege bei mir gemeldet und mir einen passenden Link zugeschickt:

http://www.vgh.bayern.de/BayVGH/presse/04a02798b.pdf

Ansonsten wird es wohl im wesentlichen bei den Differenzstandpunkten bleiben. Zugegebenermaßen würde man, so aktuell eine Steuersatzung abzufassen wäre, mehr Wert auf eine exakte Auswahl der Begrifflichkeiten legen, als dies vor eineinhalb Jahren bei der Entstehung der Dresdner Satzung der Fall war.

Dann käme vielleicht etwas ähnliches heraus wie

„Steuergegenstand einer Nebenwohnungsteuer ist das Innehaben einer Nebenwohnung nach § 12 Abs. 3 SächsMG. Steuerpflichtig ist, wessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Nebenwohnung bewirken. Das Innehaben von Wohnungen, die nicht mindestens den Ausstattungsgrad XYZ haben, ist steuerfrei, ansonsten Bemessung der Steuer nach Nettokaltmiete. Verheiratete Eheleute, die die Nebenwohnung aus beruflichen Gründen inne haben, sind persönlich von einer Steuerpflicht befreit.“

Ich bin aber guter Hoffnung, daß unsere aktuelle Satzung auch bei weniger präziser Wortwahl vom VG im Kern in dieser Richtung ausgelegt werden wird. Lassen wir uns überraschen.

» 2. Die Festlegung des BVerfG von 1983
» „Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf
» (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die
» Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel
» wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt.“
» bindet die Zweitwohnung aber unlösbar an die Hauptwohnung, um den Zustand
» „Aufwand“ zu erzeugen. Das Innehaben gehört zu dieser Bindung.

Das ist eben nach wie vor der Punkt: Auf das „Innehaben“ der Hauptwohnung kommt es m.E. nicht an, jedenfalls nicht in einem Umfange, der über das hinausgeht, was das Melderecht für die Existenz einer Hauptwohnung sowieso verlangt. Auch in dem aktuellen Tegernsee-Urteil hat das Gericht "Hauptwohnung" mit "melderechtlicher Hauptwohnung" gleichgesetzt, ohne darin ein Problem zu sehen (Tz. 3.1.1. der Gründe:

» Auch teleologisch löst die Anlehnung an den
» melderechtlichen Begriff der Hauptwohnung keine Reibungen mit dem Ziel der
» Zweitwohnungsteuer aus, das Innehaben einer weiteren Wohnung zur
» persönlichen Lebensführung als Konsum zu treffen.).

---

» Wenn ich dem BVerfG die Hauptwohnung streiche (was nicht
» erlaubt ist), hängt die „weitere Wohnung“ im luftleeren Raum.

Sie wird dann zwingend melderechtlich zur Haupt- bzw. einzigen Wohnung und der Kämmerer der Großstadt freut sich: Er kriegt zwar keine Steuer, aber einen Hauptwohner mehr ... aber das Thema wollten wir ja nicht aufmachen ;-)

Nochmal herzliche Grüße aus dem Elbtal

Thomas Weihermüller

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Christian @, Mittwoch, 07.06.2006 (vor 6797 Tagen) @ Thomas Weihermüller

Hallo Thomas,

erst einmal vielen Dank für den Link, jetzt habe ich beide Urteile - Aschau und Tegernsee.

» Dann käme vielleicht etwas ähnliches heraus wie ...

Würde ich nicht machen. Wäre aber ein interessantes Thema.

» » Auch teleologisch löst die Anlehnung an den
» » melderechtlichen Begriff der Hauptwohnung keine Reibungen mit dem Ziel
» der
» » Zweitwohnungsteuer aus, das Innehaben einer weiteren Wohnung zur
» » persönlichen Lebensführung als Konsum zu treffen.).

Da habe ich überhaupt keine Probleme mit - außer dass „Konsum“ falsch ist, es muss „Aufwand“ heißen. Ich sagte ja: die Bayern üben noch.
In dem zu entscheidenden Fall Tegernsee hatten die Kläger Haupt- und Zweitwohnung inne und irgendwie muss man beim Innehaben von zwei Wohnungen ja unterscheiden, was Erst- und was Zweitwohnung sein soll. Warum also nicht an das Mel-derecht ANLEHNEN> Und hier waren konkret Erst- und melderechtliche Hauptwoh-nung - unbestritten von allen Parteien -, identisch (und wurden innegehabt). Aber das meine ich mit dem vom BVerfG 2005 verworfenen „Anknüpfen an das Melderecht“ nicht.

Der Vollständigkeit halber sei doch angeführt, dass der VGH vor dem teleologischen Satz feststellt:

„…denn die unbestimmten Rechtsbegriffe des Innehabens einer Zweitwohnung neben einer Hauptwohnung erweisen sich mit Hilfe der allgemein anerkannten Auslegungsregeln als hinreichend bestimmbar.“

und im nächsten Absatz sagt er:

„Das bedeutet auf der anderen Seite aber nicht, dass das Melderecht vollumfänglich für die Begriffsbestimmung des § 2 ZwStS heranzuziehen ist.“

Also: Anlehnen ja, Anknüpfen (wie Dresden) nein>

» » Wenn ich dem BVerfG die Hauptwohnung streiche (was nicht
» » erlaubt ist), hängt die „weitere Wohnung“ im luftleeren Raum.
»
» Sie wird dann zwingend melderechtlich zur Haupt- bzw. einzigen Wohnung und
» der Kämmerer der Großstadt freut sich: Er kriegt zwar keine Steuer, aber
» einen Hauptwohner mehr ... aber das Thema wollten wir ja nicht aufmachen

Na, na,. Das Fass mit dem rechtswidrigen/erzwungenen/rechtswidrig erzwungenen Ummelden lassen wir wirklich lieber (noch>) zu - obwohl es das eigentliche Problem ist. Aber - wie Smily schon anzeigte, die Gleichung geht so nicht auf. Nein, der Satz würde dann lauten:

„Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt.“

Dann wäre das Besteuern von Zweitwohnungen ohne Beachtung der Hauptwohnung zulässig und die Städte mit ihren Melderechtssatzungen hätten nichts zu befürchten. Aber so ist es eben nicht.

Was nun> Gibt es ein ernsthaftes rechtliches Argument gegen die von mir vorgebrachten> Mit einem Irrglaubensbekenntnis à la Meier/Juhre wird sich selbst ein Verwaltungsgericht nicht lange aufhalten, wenn ein Kläger erst mal die richtigen Fragen stellt und nicht nur auf seiner fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beharrt.

Aber beim Innehaben beider Wohnungen werden wir uns wohl nicht einig und müssen vielleicht auf einen 3. Beschluss des BVerfG - eventuell in 10 Jahren oder so - warten. Vorläufig begnüge ich mich mit VG Lüneburg und setze auf das OVG Niedersachsen. Dieses OVG hatte ja schon im Fall Hannover einen besseren Riecher als das BVerwG und wurde dann vom BVerfG ja auch bestätigt. Schau’n mer mal.

Ich habe mir sagen lassen müssen, es gibt Leute, die erst arbeiten müssen, um überhaupt Aufwand für eine Bagatellsteuer betreiben zu können und habe dafür auch Verständnis. Wir müssen uns ja nicht hetzen lassen.

Herzliche Grüße von den Höhen der Eifel.

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

stefanie @, Donnerstag, 08.06.2006 (vor 6796 Tagen) @ Christian

Mir ist gerade dieser Gedanke gekommen:

Personen, die ihr Kinderzimmer als Nebenwohnung angemeldet haben, müssen keine Zweitwohnungsteuer zahlen. Personen, die ihr Kinderzimmer als Hauptwohnung haben, müssen für ihre Nebenwohnung zahlen, könnte darin ein Verstoß gegen Art. 3 GG liegen, weil hier gleiches ungleich behandelt wird> Habe noch keine Zeit gehabt darüber intensiver nachzudenken.

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Christian @, Donnerstag, 08.06.2006 (vor 6796 Tagen) @ stefanie

» Mir ist gerade dieser Gedanke gekommen:
»
» Personen, die ihr Kinderzimmer als Nebenwohnung angemeldet haben, müssen
» keine Zweitwohnungsteuer zahlen. Personen, die ihr Kinderzimmer als
» Hauptwohnung haben, müssen für ihre Nebenwohnung zahlen, könnte darin ein
» Verstoß gegen Art. 3 GG liegen, weil hier gleiches ungleich behandelt
» wird> Habe noch keine Zeit gehabt darüber intensiver nachzudenken.

Hallo Stefanie,

vorab: schön zu erfahren, dass das nicht nur T. und mich interessiert, dachte schon, wir schreiben im luftleeren (= "nicht umschlossenen") Raum.

Zur Frage: Lieber nicht nachdenken, denn das ist genau der Streitpunkt.

Meier/Juhre und alle Verantwortlichen/Zuständigen in den betroffenen Städten sagen NEIN und verweisen (hoffen>) auf den Rechtsweg (und - boshafte Anmerkung - uneinsichtige Richter).

Herr v. Alten (Präsident VG Lüneburg) und ich sagen JA. VG Aachen hält es im Eilverfahren für eine zu schwierige Frage und will es erst im Hauptverfahren (wann immer) klären. Ich persönlich hoffe/vertraue auf OVG Niedersachsen (wurde in einer Entscheidung zur ZWSt 2005 vom BVerfG glanzvoll bestätigt).

Frage geht nach meiner Auffassung aber über Art 3 GG hinaus und packt die "Melderechtssatzungen" an der Wurzel - dort wo es richtig weh tut. Schau'n mer mal.

Herzliche Grüße

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

stefanie @, Freitag, 09.06.2006 (vor 6795 Tagen) @ Christian

Hallo Christian

» Zur Frage: Lieber nicht nachdenken, denn das ist genau der Streitpunkt.

Gut, dann brauch ich mir ja erstmal nicht den Kopf darüber zerbrechen.

» Herr v. Alten (Präsident VG Lüneburg) und ich sagen JA. VG Aachen hält es
» im Eilverfahren für eine zu schwierige Frage und will es erst im
» Hauptverfahren (wann immer) klären. Ich persönlich hoffe/vertraue auf OVG
» Niedersachsen (wurde in einer Entscheidung zur ZWSt 2005 vom BVerfG
» glanzvoll bestätigt).

Ja ich vertraue auch dem OVG Niedersachsen. Liegt zufällig die Entscheidung des VG Aachen vom Eilverfahren vor> Haben die die Aussetzung der sofortigen Vollziehung angeordnet, da nicht auszuschließen ist, dass der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist>

» Frage geht nach meiner Auffassung aber über Art 3 GG hinaus und packt die
» "Melderechtssatzungen" an der Wurzel - dort wo es richtig weh tut. Schau'n
» mer mal.

Genau, die Anknüpfung an das Melderecht könnte den Satzungen das Genick brechen.

Gruß
Stefanie

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Christian @, Freitag, 09.06.2006 (vor 6795 Tagen) @ stefanie

Hallo Stefanie

» Liegt zufällig die Entscheidung des VG Aachen vom Eilverfahren vor> Haben die die Aussetzung
» der sofortigen Vollziehung angeordnet, da nicht auszuschließen ist, dass
» der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist>


VG Aachen 4 L 146/04 vom 25.04.2004 (!), abzurufen aus der Rechtsprechungsdatenbank NRW (Justiz NRW) - habe sie nur online gelesen. Aussetzung wurde nicht angeordnet, da die Kernfrage nicht betrachtet wurde (wurde leider vom Kläger auch nicht hinterfragt). Ging im Prinzip wieder mal nur um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Der alte Fehler.

Gruß

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

stefanie @, Samstag, 10.06.2006 (vor 6794 Tagen) @ Christian

» VG Aachen 4 L 146/04 vom 25.04.2004 (!), abzurufen aus der
» Rechtsprechungsdatenbank NRW (Justiz NRW) - habe sie nur online gelesen.
» Aussetzung wurde nicht angeordnet, da die Kernfrage nicht betrachtet wurde
» (wurde leider vom Kläger auch nicht hinterfragt). Ging im Prinzip wieder
» mal nur um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Der alte Fehler.


Habe es mir gerade durchgelesen. Nun gut im Eilverfahren setzen sich Gerichte nunmal nicht mit anderen Erwägungen auseinander, obwohl sie dazu gehalten sind. Allerdings sind auch Richter ständig überarbeitet, also sei es ihnen verziehen.

Bin da auf etwas sehr interessantes gestoßen:
http://www.fdp-fraktion-rostock.de/download/stellungnahme020305.pdf

Kann es sein, dass da jemand was verwechselt hat. Soweit ich die Entscheidung des VG Lüneburg interpretiert habe, wollten die doch nur klarstellen, dass ohne Erstwohnung auch keine Zweitwohnung vorhanden ist. Das hatte doch mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit überhaupt nichts zu tun>!

Vielleicht noch ein Denkansatz: Wie sieht es denn bei der Aufwandsteuer mit der Freiwilligkeit aus> Habe darüber bisher nichts gefunden. Es gibt doch z.B. Beamtengesetze wonach Personen eine 'Dienstwohnung' haben müssen. Sie also den Aufwand gar nicht freiwillig betreiben> Ich meine damit nicht den verfolgten Zweck, sondern einfach nur, dass man ja keine Wahl hat. Anders wie bei der Hundesteuer, einen Hund muss man ja nicht haben.

Gruß Stefanie

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Christian @, Samstag, 10.06.2006 (vor 6794 Tagen) @ stefanie

Hallo Stefanie,

» ...im Eilverfahren setzen sich Gerichte nunmal nicht mit anderen Erwägungen auseinander, obwohl sie dazu
» gehalten sind.

Dazu siehe die Postings von Yvonne W. und mir in deinem eigenen Thread „VG Augsburg“.



» Kann es sein, dass da jemand was verwechselt hat.

Eher: nicht begreifen will. Weitere Kommentare zu Kommunalpolitikern und zur Parteipolitik spare ich mir an dieer Stelle.

» Das hatte doch mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit überhaupt nichts zu tun>!


Doch, denn ohne Innehaben einer Erst- und Zweitwohnung keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und somit auch keinen steuerbarer Aufwand - sage ich.
OB Rostock glaubt: „Nebenwohnung reicht, wenn ich sie Zweitwohnung nenne! Das ist rechtens - weil ich es so festgelegt habe!“
Der (steuerfreie) Hund liegt da begraben. Deswegen ist das Lüneburger Urteil je nach Betroffenheit ja so schön oder so fürchterlich und Gott sei Dank oder leider noch nicht rechtskräftig.
»
» Denkansatz Freiwilligkeit aus> z.B. ... wonach Personen eine 'Dienstwohnung' haben müssen.
» Anders wie bei der Hundesteuer, einen Hund muss man ja nicht haben.


Der Hund wird ja auch nicht besteuert:-P. Wer eine Dienstwohnung innehat, muss nicht zwangsläufig eine weitere Wohnung innehaben. Die Freiwilligkeit wird, fürchte ich, auch sonst nicht viel bringen, bestenfalls als Hilfsargument tauglich. Z.B. „Ich werde mich schon allein deswegen nicht vorwiegend in XXX aufhalten, weil ich den mir dort zugeteilten Studienplatz so schnell wie möglich mit einem Studenten in YYY tauschen will. Deswegen melde ich mich in XXX nur mit Nebenwohnung an.“

Ansonsten: Kann es sein, dass da jemand Blut geleckt hat>

Gruß

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Thomas Weihermüller @, Montag, 12.06.2006 (vor 6792 Tagen) @ Christian

Nachdem wir in der für dieses Forum rekordverdächtigen "bilateralen" Debatte eine Art toten Punkt erreicht haben, den wir ohne richterlichen Beistand nicht überwinden können, wollen wir das Erreichte in einer gemeinsamen Erklärung kurz zusammenfassen:

1. Redaktionelles
a) Die richtige Schreibweise ist „Zweitwohnungsteuer“ (Quelle: Brockhaus-Enzyklopädie, BMF, BVerfG vom 11. Oktober 2005)
b) Die falsche Schreibweise „Zweitwohnungssteuer" beruht auf dem Beschluss des BVerfG von 1983 („Überlingen-Beschluss“) und war bis 2005 für die Kommunen verbindlich.
c) Mit den unterschiedlichen Schreibweisen sind keine unterschiedlichen Rechtsauffassungen verbunden.

2. Wohnsitz
a) Wohnsitz wird wie folgt definiert:
„Wohnsitz bezeichnet üblicherweise die kleinste Verwaltungseinheit (also Stadt oder Kommune) in der jemand seine Wohnung ständig oder unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.“ (Quelle: § 7 ff BGB, § 8 Abgabenordnung Bund, ARD-Ratgeber Recht)
b) Wohnsitz ist etwas anderes ist als die melderechtlichen Kategorien von „Hauptwohnung“ und „Nebenwohnung“ bzw. die steuerrechtlichen Kategorien von „Haupt(Erst-)wohnung“ und „Zweitwohnung“.
c) Nach herrschender Meinung begründet ein Student am Universitätsort nur unter besonderen Umständen einen Wohnsitz.
Der Wille, sich ständig an einem Ort niederzulassen, fehlt regelmäßig bei einem Aufenthalt am Ort des Studiums (Quelle: BFH, BStBl. 2001, 294)
d) Diese herrschende Meinung ist aber in der Fachliteratur nicht unumstritten (Gegenteiliges vertreten z.B. SCHWARZ, AO-Kommentar, Tz. 11 zu § 8 AO, TIPKE/KRUSE, AO-Kommentar, Tz. 10 zu § 8 AO).

3. Steuerart und -gegenstand
a) Bei der Zweitwohnungsteuer handelt es sich bei entsprechender Ausgestaltung um eine örtliche Aufwandsteuer i.S. v. Art. 105 Abs. 2a GG. Aufwandsteuern sind Steuern auf die Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, in der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt. Der Aufwand als ein äußerlich erkennbarer Zustand, für den finanzielle Mittel verwendet werden, ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
b) Steuergegenstand einer Zweitwohnungsteuer ist das „Innehaben einer Zweitwohnung“, nicht die Zweitwohnung selbst.
c) Jede Zweitwohnungsteuersatzung hat sich an den von BVerfG aufgestellten Maßstäben zu orientieren.
d) Den Kommunen bleibt im Rahmen des jeweils nach Landesrecht zustehenden Steuerfindungsrechtes (Art. 105 Abs. 2a GG) unbenommen, eine andere Steuer einzuführen, die dann natürlich dann einer gesonderten Prüfung der Verwaltungsgerichte und - möglicherweise - des BVerfG vorbehalten bleibt. Um Irritationen zu vermeiden, sollte für solche neuen Steuern der Name "Zweitwohnungsteuer" vermieden werden.

4. Nebenwohnung und Zweitwohnung, Wohnungsbegriff
a) Das Innehaben einer Nebenwohnung ist grundsätzlich mit dem Einsatz finanzieller Mittel verbunden und stellt somit einen Aufwand dar, der bei entsprechender Ausgestaltung einer Satzung steuerbar sein kann.
b) Bei der Frage, ob eine Nebenwohnung immer auch als Zweitwohnung betrachtet werden darf, gehen die Meinungen auseinander.
- T. ist der Auffassung, dass die Nebenwohnung in der Steuersatzung immer auch zur steuerbaren "Zweitwohnung" werden kann. Der steuerbare Aufwand resultiert allein aus dem Innehaben der Nebenwohnung.
- C. ist der Auffassung, dass die Festlegung des BVerfG „Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt.“ die Zweitwohnung unlösbar an die Hauptwohnung bindet, um den Zustand „Aufwand“ zu erzeugen. Das Innehaben gehört zu dieser Bindung. Wer keine Hauptwohnung innehat, bringt auch keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck.
c) Das unter b) Gesagte gilt sinngemäß auch für den Wohnungsbegriff.

5. Der Dissens ist letztlich nur durch entsprechende, rechtskräftige Urteile aufzulösen. Deswegen endet die bilaterale Debatte hier erstmal.

Christian & Thomas Weihermüller

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Yvonne Winkler @, Montag, 12.06.2006 (vor 6792 Tagen) @ Thomas Weihermüller

Hallo Christian und Thomas,

das habt Ihr wunderbar herausgearbeitet und es wäre mir eine große Freude, diesen Dissens mal einer gerichtlichen Klärung zuzuführen. Ich würde natürlich die Auffassung von C. vertreten. :-) Vielleicht erleben wir das noch.

Dank und Grüße
Yvonne

Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Christian @, Samstag, 13.10.2007 (vor 6304 Tagen) @ Thomas Weihermüller

Nachdem das Dresdener Verwaltungsgericht nun gesprochen hat, lässt sich (sofern die Urteile rechtskräftig geworden sind) die „gemeinsame Erklärung“ in Punkt 4. und 5. neu fassen.

4. Nebenwohnung und Zweitwohnung, Wohnungsbegriff
a) Das Innehaben einer Nebenwohnung ist grundsätzlich mit dem Einsatz finanzieller Mittel verbunden und stellt somit einen Aufwand dar, der bei entsprechender Ausgestaltung einer Satzung steuerbar sein kann.
b) Eine Nebenwohnung darf nur als Zweitwohnung betrachtet werden, wenn der Steuerpflichtige auch eine Erstwohnung innehat.
c) Die Wohnungsdefinition der Satzung gilt für Erst- und Zweitwohnung.

5. Das Problem der studentischen Nebenwohnung dürfte damit einer Klärung zugeführt sein. Es verbleiben aber genügend Dissenspunkte, die auch weiterhin das VG Dresden und viele andere Gerichte aller Ebenen beschäftigen können.:-(