News: Tübingen rüstet auf, ZWS angeregt durch das BVerwG

Yvonne Winkler @, Donnerstag, 18.09.2008 (vor 5693 Tagen)

Hier noch einmal die Meldung aus der Süddeutschen Zeitung, wie Rebell sie eingebracht hat:

[blockquote]Viele Studenten müssen weiterhin Zweitwohnungssteuer bezahlen. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts will Tübingen die Abgabe einführen.[/blockquote]
[quelle](Quelle: Unistädte wollen Erstwohnsitz der Studenten sein, Süddeutsche Zeitung)[/quelle]

Sinn der Übung ist natürlich nicht der, den Studenten das Geld über die Gebühr aus der Tasche zu ziehen, sondern den erzieherischen Druck auf sie auszuüben, doch bitte ihren Erstwohnsitz nach Tübingen zu verlegen. Damit ist die Lenkungsfunktion, durch die Zweitwohnungsteuer über die Ummeldung entsprechend höhere Finanzzuweisungen Geld zu generieren, deutlich gemacht.

Ich erinnere an die netten Ausführungen des OLG Rheinland-Pfalz in seiner letzten Entscheidung zum Thema ZWS in diesem Zusammenhang. (Nebenbei ist das lesenswert). Hier ein Auszug aus dem Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 22.04.2008, AZ: 6 A 11356 07

[blockquote]Die Zweitwohnungssteuer bildet danach ein Instrument zur substanziellen Vermehrung der Zahl der mit Hauptwohnsitz in Mainz gemeldeten Einwohner, weil davon sowohl der gemeindliche Anteil an der Einkommenssteuer als auch die Transferzahlungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleiches abhängig sind. Bei einer Anzahl von rund 19.000 mit Nebenwohnsitz angemeldeten Personen veranschlagte die Beklagte den durch die Zweitwohnungssteuer zu erwartenden Ummeldeeffekt auf wenigstens 9.000 Personen, wodurch sich beispielsweise für das Jahr 2004 ein fiktiver Mehrbetrag an Schlüsselzuweisungen in Höhe von 3,8 Millionen Euro errechnet hätte. Diese Überlegungen offenbaren, dass die Zweitwohnungssteuer primär in den Dienst eines melderechtlichen Lenkungszwecks gestellt wurde und mit diesem seinerseits mittelbare haushaltswirtschaftliche Refinanzierungsstrategien verfolgt wurden. Die so angelegte Zweitwohnungssteuer steht damit erkennbar in einem Zielkonflikt zwischen lenkungszweckdienlicher Tatbestandsvermeidung und fiskalzweckdienlicher Tatbestandsverwirklichung, denn je mehr Hauptwohnsitze im Stadtgebiet der Beklagten angemeldet werden, umso stärker gehen die Einnahmen aus der Zweitwohnungssteuer zurück.

Ein solches Zusammentreffen von konträren Zweckvorgaben bewirkt unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten nicht schon als solches die Unzulässigkeit der steuerlichen Regelung. Vielmehr lässt es § 3 Abs. 1 2. Halbsatz AO zu, dass die Erzielung von Einnahmen Nebenzweck sein kann, wenn durch diese Art der Zweckverknüpfung die Rechtsordnung nicht in sich widersprüchlich wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 -2 BvR 1991/95 -BVerfGE 98, 106 [117 ff.]; BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2003 -9 B 102.03 -juris). Ob dieser Effekt mit der ZwStS der Beklagten vermieden worden ist, erscheint allerdings fraglich. Gegenläufige Normsignale unter steuerrechtlichen und melderechtlichen Aspekten konnten für den Bürger nur dann ausbleiben, wenn die Grundannahme der Beklagten zuträfe, dass der weitaus größte Teil der mit Nebenwohnsitz gemeldeten Einwohner, insbesondere die Mehrzahl der so registrierten Studierenden, in Wahrheit im Stadtbezirk einen Hauptwohnsitz unterhält. Für einen solchen melderechtlichen Missstand gibt es jedoch keinen schlüssigen Nachweis, denn nach den Darlegungen ihrer Vertreter in der mündlichen Verhandlung des Senats konnte und wollte die Beklagte nicht verifizieren, ob die seit dem Jahre 2005 vollzogenen rund 13.000 Ummeldungen, das betrifft 2/3 aller im Jahre 2004 registrierten Nebenwohnsitze, den Anforderungen des materiellen Melderechts (§ 12 MRRG; § 16 MG) heute in höherem Maße entsprechen als vorher. Insbesondere für die Vielzahl der Studierenden gilt, dass es keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts gibt, wonach ein lediger Student während seines Studiums vorwiegend seine Wohnung am Studienort benutzt (so BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1991 -1 C 24.90 -BVerwGE 89, 110 ff.) und deshalb dort mit Hauptwohnsitz gemeldet sein müsste.

Von daher liegt die Vermutung nicht völlig fern, dass das seit 1. Juni 2005 zu beobachtende Ummeldeverhalten weniger vom Streben nach Melderechtskonformität als von der Absicht der Steuervermeidung beherrscht war. Dem hält die Beklagte jedoch mit gewissem Recht entgegen, dass eine exakte Quantifizierung der Ummeldefälle nach ihren scheinbar melde-rechtlich problematischen und ihren steuerrechtlich korrekten Bestandteilen nicht möglich ist. Mit der ZwStS seien jedenfalls keine melderechtswidrigen Lenkungszwecke verfolgt worden, so dass dadurch auch keine die steuerrechtliche Normsetzungsbefugnis gefährdenden widersprüchlichen Elemente in die Rechtsordnung hineingetragen worden seien. Die nach allem verbleibenden Zweifel, ob die Beklagte mit der ZwStS von ihrer steuerrechtlichen Normierungsbefugnis zulässigerweise Gebrauch gemacht hat, können jedoch letztlich offen bleiben.[/blockquote]

Ich finde es sehr forsch von der Stadt Tübingen, solche Pläne in die Öffentlichkeit zu tragen, wenn man die Urteilsbegründung nicht kennt, schätze aber, dass der Spruch des Bundesverwaltungsgerichts, der diese unsägliche Praxis weiter befördert, noch nicht das Ende der Fahnenstange ist.

Ich halte diese Rechtsprechung für falsch und bin gespannt, wann das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsprechung bestätigt. So lange wird gekämpft.

Der Städte- und Gemeindebund wird jubilieren, denn es geht um viel Geld, weniger das der Studenten, als vielmehr um das der Finanzzuweisungen für Erstwohnsitze.


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