Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Alfred @, Dienstag, 12.01.2010 (vor 5692 Tagen)

Ich habe also gelernt, dass der Rechtssatz
„Der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG steht der Normierung unterschiedlicher Voraussetzungen für die Steuerpflicht in unterschiedlichen Körperschaften nicht entgegen. Denn Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine Gleichbehandlung nur innerhalb des jeweiligen Rechtsetzungsbereichs.“
der in dem Urteil des BVerwG vom 17. September 2008 - 9 C 17.07, Rnr. 20 ohne jeden Zusammenhang steht, den Kommunen nicht eine nahezu beliebige Normierung dessen, was eine Zweitwohnung sein soll, erlaubt. Der Satz besagt lediglich, dass die Kommunen frei sind, Steuern einzuführen, die es in anderen Kommunen nicht gibt.
Was bedeutet das nun für meine Frage „Was ist eine Zweitwohnung“>
Kann mir da jemand fundiert weiterhelfen>

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Bjoern @, Mittwoch, 13.01.2010 (vor 5691 Tagen) @ Alfred

Hallo Alfred,

wenn ich mich recht entsinne, dann stammt dieser Satz vom BVerfG (Beschluss vom 25.02.1960; 1 BvR 239/52). nachzulesen u.a. im Beschluss des BFH vom 15.03.2005 (II B 23/04):

Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG gebietet Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes eine Gleichbehandlung nur innerhalb der jeweiligen Rechtsetzung. Die Möglichkeit einer Berufung auf den allgemeinen Gleichheitssatz ist dadurch begrenzt, dass die Verfassung in denjenigen Sachbereichen, in denen die Gesetzgebungskompetenz den Bundesländern zusteht, unterschiedliche rechtliche Ordnungen in den einzelnen Ländern zulässt (BVerfG-Beschlüsse vom 25. Februar 1960 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354, unter C.II.4.; vom 7. Februar 1961 2 BvR 23/61, BVerfGE 12, 139; vom 23. Februar 1972 2 BvL 36/71, BVerfGE 32, 346, unter B.II.2.a; vom 10. März 1976 1 BvR 355/67, BVerfGE 42, 20, unter B.I.; Urteil vom 24. Oktober 2002 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62, unter C.II.5.b aa).

insofern keine Erfindung des BVerwG!

und ich verstehe den Satz so, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG nur immer innerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Rechtsnorm gilt. bei einem Landesgesetz müssten bspw. alle Betroffenen dieses Bundeslandes gleich behandelt werden.
im Bezug auf die ZWS bedeutet dies m. E., dass sich ein Betroffener der Gemeinde X nicht auf die Definition einer Zweitwohnung aus Gemeinde Y berufen kann.

hinsichtlich des Steuererfindungsrechts der Gemeinden gilt ausschließlich Art. 105 (2a) GG; daran muss sich messen lassen, ob es eine neue Steuer ist oder nicht.
D. h. wenn eine Gemeinde eine Zweitwohnung anders legaldefiniert als in den bislang vom BVerfG anerkannten Maßstab, so muss man prüfen, ob dieser Steuergegenstand Grundlage einer zulässigen gemeindlichen Aufwandsteuer sein kann!

ich kann doch schließlich auch nicht das Halten von Kanarienvögeln auf Grundlage einer Hundesteuersatzung besteuern und dabei den Steuergegenstand "Halten eines Hundes" so definieren, dass ein Kanarienvogel darunter fällt :-D

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Alfred @, Mittwoch, 13.01.2010 (vor 5691 Tagen) @ Bjoern

Hallo Bjoern,

ich fühle mich in meinen Ansicht bestätigt und nicht mehr ganz so dumm und alleine. Herzlichen Dank.
Auch die Frage nach dem Urheber würde ich so beantworten. An allem kann das BVerwG ja nicht allein schuld sein.

» Im Bezug auf die ZWS bedeutet dies m. E., dass sich ein Betroffener der Gemeinde X nicht auf die Definition einer Zweitwohnung aus Gemeinde Y berufen kann.
Sollte man der Vollständigkeit halber ergänzen um „oder darauf, dass die Kommune Z überhaupt keine Zweitwohnungsteuer erhebt“.
Habe ich Dich richtig verstanden, wenn ich dazu formuliere: "Auf die Entschlüsse das BVerfG zur ZWSt kann sich nur der berufen, der die Zweitwohnung nach den Vorgaben des BVerfG (legal)definiert">
Was natürlich bedeuten würde, dass den Kommunen dann doch, wie ursprünglich von mir angenommen, eine nahezu beliebige Normierung dessen, was eine Zweitwohnung sein soll, erlaubt ist. Motto: Was Zweitwohnung ist, bestimme ich (Schramma II.). Art. 3 Abs. 1 GG wäre nur dann verletzt, wenn innerhalb der Kommune verschiedene Legaldefinitionen Anwendung finden würden.
Das verwirrt mich allerdings ein bisschen und dieser Vorstellung möchte ich nicht so ganz und schon gar nicht gerne folgen. Ich gehe davon aus, dass das BVerfG das anders sehen könnte.

» Ich kann doch schließlich auch nicht das Halten von Kanarienvögeln auf
» Grundlage einer Hundesteuersatzung besteuern und dabei den Steuergegenstand
» "Halten eines Hundes" so definieren, dass ein Kanarienvogel darunter fällt
» :-D
:-) Da wäre ich mir nicht so sicher. Es dürfte zwar allgemein bekannt und anerkannt sein, was ein Hund ist. Aber wenn man Geld braucht könnte man es vielleicht so drehen „als Hunde gelten auch …“>:-);-)

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Bjoern @, Donnerstag, 14.01.2010 (vor 5690 Tagen) @ Alfred

Hallo Alfred,

ja - ich bin der Auffassung, dass sich nur diejenigen Kommunen mit ihrer ZWS auf das BVerfG berufen können, die eine Zweitwohnung so definieren, wie das BVerfG anno 1983.

für alle anderen Definitionen muss m. E. noch der Nachweis erbracht werden, ob der (neue) Steuergegenstand tatsächlich Grundlage einer verfassungsgemäßen örtlichen Aufwandsteuer gemacht werden darf!

um es wieder mit meinem Beispiel auszudrücken: ich kann doch nicht als Kommune das Halten eines Kanarienvogels besteuern ... mit der Begründung, dass die Hundesteuer als zulässige gemeindliche Aufwandsteuer vom BVerfG anerkannt wurde ... und was ich als Hund definiere, ist mir (= Kommune) überlassen.

§ 1 Steuergegenstand
(1) Gegenstand der Steuer ist das Halten im Stadtgebiet von X zu persönlichen Zwecken.
(2) Ein Hund ist jedes Tier i. S. v. § 90a BGB, welches in Käfigen gehalten wird.

deshalb: ich kann doch nicht als Kommune das Nutzen einer Nebenwohnung (= Kanarienvogel) als Zweitwohnung besteuern, nur weil das BVerfG festgestellt hat, dass die ZWS eine zulässige örtliche Aufwandsteuer ist.

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Alfred @, Donnerstag, 14.01.2010 (vor 5690 Tagen) @ Bjoern
bearbeitet von Alfred, Donnerstag, 14.01.2010

Hallo Bjoern,
» ja - ich bin der Auffassung, dass sich nur diejenigen Kommunen mit ihrer ZWS auf das BVerfG berufen können, die eine Zweitwohnung so definieren, wie das BVerfG anno 1983.
Dann sind wir uns ja einig. Arbeitsthese:
„Die Zweitwohnungsteuer ist bei entsprechender Ausgestaltung eine zulässige örtliche Aufwandsteuer.“
Ich fürchte nur, da stehen wir ziemlich allein und was entsprechende Ausgestaltung bedeutet dürfte b.a.W. nicht einvernehmlich zu klären sein.
Für mich ist die praktische Nutzanwendung die Frage bei jeder Satzung „Was ist eine Zweitwohnung“ und wie weicht sie von der Definition des BVerfG ab. Daran wäre zu prüfen
» ob der (neue) Steuergegenstand tatsächlich Grundlage einer
» verfassungsgemäßen örtlichen Aufwandsteuer gemacht werden darf!

Das Beispiel macht es deutlich. Obwohl das Halten eines Kanarienvogels m.E. zum Gegenstand einer örtlichen Aufwandsteuer gemacht werden könnte. Aber eben unter der Überschrift „Kanarienvogelsteuer“. Alles andere wäre Etikettenschwindel.

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Bjoern @, Donnerstag, 14.01.2010 (vor 5690 Tagen) @ Alfred

» Das Beispiel macht es deutlich. Obwohl das Halten einer Kanarienvogel m.E.
» zum Gegenstand einer örtlichen Aufwandsteuer gemacht werden könnte. Aber
» eben unter der Überschrift „Kanarienvogelsteuer“. Alles andere wäre
» Etikettenschwindel.

und genau so verhält es sich meiner Meinung nach bei der ZWS, wenn die Zweitwohnung als jede (weitere) Wohnung, die melderechtlich als Nebenwohnungerfasst ist, definiert wird

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Alfred @, Donnerstag, 14.01.2010 (vor 5690 Tagen) @ Bjoern

» und genau so verhält es sich meiner Meinung nach bei der ZWS, wenn die
» Zweitwohnung als jede (weitere) Wohnung, die melderechtlich als
» Nebenwohnungerfasst ist, definiert wird.
Ein Streitgespräch können wir da wohl nicht führen.:-)

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Alfred @, Montag, 18.01.2010 (vor 5686 Tagen) @ Bjoern

Vielleicht mal eine praktische Frage: Warum ändern z.Zt. viele Städte ihre Satzung und gehen dabei u.a. von der melderechtlichen Wohnungsdefinition ab>

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Bjoern @, Freitag, 22.01.2010 (vor 5682 Tagen) @ Alfred

[blockquote]Um eine Legaldefinition dürfte es sich zweifelsfrei (sofern derartiges in der Justiz überhaupt möglich ist) handeln.
Aber:
Welchen Zweck hat (nicht hatte) diese Definition und wie ist sie zu verstehen> Oder haben sich da manche Leute selbst überholt (oder umzingelt/ins Knie geschossen usw.)>[/blockquote]

ja - wenn in einem Gesetz (und eine Satzung ist ja als Gesetz im materiellen Sinne zu verstehen) ein unbestimmter Rechtsbegriff (= Zweitwohnung) selbst definiert wird, dann hat man eine klassische Legaldefinition

welchen Zweck sie theoretisch hat, kann ich dir erläutern: sie dient zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes. da gibts ja bekanntlich mehrere Varianten ... die Legaldefinition müsste m. E. zur Auslegung nach dem Wortsinn gehören

tja - und wie sie zu verstehen ist, weiss niemand so genau. der objektive Tatbestand ist noch klar (2 Wohnungen müssen vorliegen; und die steuerbare Wohnung darf nicht die Hauptwohnung sein); beim subjektiven Tatbestand kommt der Schlips ins Rad (Innehaben wurde ja vom BVerfG definiert und wurde von allen anderen Gerichten auch so übernommen; fraglich bleibt jedoch, ob nach dem Wortsinn beide Wohnungen innegehabt werden müssen oder nicht)

meintest du das>


[blockquote]Vielleicht mal eine praktische Frage: Warum ändern z.Zt. viele Städte ihre Satzung und gehen dabei u.a. von der melderechtlichen Wohnungsdefinition ab>[/blockquote]

nenn mir mal bitte ein paar Beispiele; vielleicht wird es dann klarer.
ansonsten bleibt nur meine Vermutung: man nimmt die Definitionen, die in den vorm BVerwG verhandelten Satzungen enthalten waren, um zumindest in den Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf der sicheren Seite zu sein

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Alfred @, Donnerstag, 21.01.2010 (vor 5683 Tagen) @ Bjoern

Ich jongliere gerade mit der Definition:
„Zweitwohnung ist jede Wohnung jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des eigenen persönlichen Lebensbedarfs oder des persönlichen Lebensbedarfs seiner Familie innehat.“
wie sie so oder ähnlich in vielen Satzungen zu finden ist.
Um eine Legaldefinition dürfte es sich zweifelsfrei (sofern derartiges in der Justiz überhaupt möglich ist) handeln.
Aber:
Welchen Zweck hat (nicht hatte) diese Definition und wie ist sie zu verstehen> Oder haben sich da manche Leute selbst überholt (oder umzingelt/ins Knie geschossen usw.)>

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Alfred @, Freitag, 22.01.2010 (vor 5682 Tagen) @ Alfred

Wir beide sind uns einig
Zweitwohnung ist jede Wohnung jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des eigenen persönlichen Lebensbedarfs oder des persönlichen Lebensbedarfs seiner Familie innehat.
ist eine Legaldefinition der Zweitwohnung. Über die zulässigen Auslegungsmöglichkeiten dieser Definition dreht sich gegenwärtig der Streit bei der Frage
Was ist eine Zweitwohnung“.
Zu klären wäre also, was ist an dieser Legaldefinition (rechtlich zulässig) auslegbar>
Da bin ich mir dann nicht mehr so sicher, dass wir da völlig einer Meinung sind, wenn Du den „objektiven“ Tatbestand „Innehaben einer Zweitwohnung“ beschreibst. Da sollten wir mit der Frage beginnen:
Was ist eine Hauptwohnung“>

» Innehaben wurde ja vom BVerfG definiert und wurde von allen anderen Gerichten auch so übernommen;
Hatten die eine andere Möglichkeit> Abgesehen davon, ist die Aussage nur teilweise richtig.

Gleich „ein paar Beispiele“>
Fangen wir mal mit einem an.
Was im Melderecht (aber auch nur da) eine Wohnung ist, steht in allen Meldegesetzen.
jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird.“
Die Verwendbarkeit (rechtliche Zulässigkeit) dieses melderechtlichen Wohnungsbegriffes wurde von Beginn an mit unterschiedlicher Nuancierung bestritten. Heute steht ziemlich fest: Er ist ungeeignet.
Das haben intelligente Juristen in der Stadtverwaltung München bereits 2005 erkannt und entsprechend definiert:
„Wohnung ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt werden kann.“
Ein anderer (weniger intelligenter>) Jurist einer Stadtverwaltung (natürlich aus NRW mit seinen anderen Rechtsauffassungen zur ZWSt) verteidigt die melderechrechtliche Wohnungsdefinition noch 2008/2009 vehement gegen jede Kritik als „im Ansatz verfehlt".

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Bjoern @, Freitag, 22.01.2010 (vor 5682 Tagen) @ Alfred

hinsichtlich des Melderechts hatte ich dich falsch verstanden. ich dachte bisher, du meinstest melderechtliche Zweitwohnungsdefinitionen a la "Zweitwohnung ist jede Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes"

ok - dann schauen wir mal, was an der Legaldefinition wie auszulegen ist:

Hauptwohnung
dürfte im Rahmen der systematischen Auslegung geklärt werden. das Melderecht enthält eine Definition dieses Begriffes; die ZWS-Satzungen haben alle irgendwo einen melderechtlichen Bezug (bspw. bei den Steuererklärungen bzw. Steueranzeigen). insofern dürfte sich die Auslegung des Begriffes Hauptwohnung nur nach der melderechtlichen Definition richten dürfen

Innehaben
wurde vom BVerfG anno 1983 ausführlich mit der tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsmacht erklärt und wurde seitdem von eigentlich allen Gerichten so übernommen. bei meinen Recherchen anno 2008 konnte ich auch feststellen, dass die Literatur einhellig dieser Auslegung folgt. insofern ist dieses Merkmal auch klar

Wohnung
ist auslegungsbedürftig, wenn die Satzung den Begriff nicht definiert.
nach meinem Kenntnisstand gibt es einen steuerrechtlichen Wohnungsbegriff, welcher bspw. bei der Steuerbegünstigung nach § 10e EStG definiert wird.
im Abgabenrecht wird in § 8 AO ebenfalls von Wohnungen gesprochen. und dann gibt es halt noch den melderechtlichen Wohnungsbegriff.
betrachtet man diese 3 Wohnungsbegriffe, so fällt auf, dass an den melderechtlichen die geringsten Anforderungen zu stellen sind. insofern muss die angebliche Wohnung nach der ZWS-Satzung mindestens diesen Anforderungen genügen.
da allerdings die Auslegung nach dem Wortsinn nicht die einzige Auslegungsmöglichkeit ist, sollte darüber hinaus zumindest eine teleologische Auslegung bemüht werden: sprich nach dem Sinn und Zweck der Norm. dazu muss man sich die "Gesetzesbegründung" anschauen, welche Zweitwohnungen die Steuerpflicht treffen soll. evt. kann man so bestimmte Wohnungen noch herausfiltern, die zwar dem melderechtlichen Wohnungsbegriff entsprechen, aber nach dem ursprünglichen Satzungsgrund eigentlich nicht besteuert werden sollten.
das alles gilt aber m. E. nur, wenn die Satzung keine Definition des Begriffes "Wohnung" enthält

für den persönlichen Lebensbedarf
nach meinem Kenntnisstand wird dieses Kriterium zur Abgrenzung jener Wohnungen verwendet, die allein der Kapitalanlage dienen. insofern bleibt da auch wenig Raum für Auslegungen

Zustimmung>
lionelhutz, was sagst du dazu>>

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Alfred @, Freitag, 22.01.2010 (vor 5682 Tagen) @ Bjoern

» Zustimmung>
Sowohl als auch. Im Einzelnen:

Hauptwohnung
Kann man so verstehen. Hauptwohnung bedeutet demnach also/ist gleichzusetzen mit „melderechtlicher Hauptwohnung“.
Folgende Fragen drängen sich mir da sofort auf:
1. Warum sagt dann (nicht nur 1) ein Obergericht:
„Es steht nicht im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Zweitwohnungsteuer, wenn der Ortsgesetzgeber zur Abgrenzung des Begriffs der Zweitwohnung von dem der Hauptwohnung an den objektiven Hauptwohnungsbegriff des § xx MG anknüpft.“
2. Ist die (melderechtliche) Hauptwohnung das Gegenstück zur Zweitwohnung>

Innehaben
ist mit der „tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsmacht“ hinreichend genau beschrieben.
Der Satz:
„Inhaber einer Wohnung ist derjenige, der für eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über die Nutzung der Wohnung verfügen kann. Er muss also entsprechend seinen Vorstellungen zur persönlichen Lebensführung selbst bestimmen können, ob, wann und wie er diese nutzt, ob und wann er sich selbst darin aufhalten oder sie anderen zur Verfügung stellen will.“
dürfte nichts anderes besagen.
Wenn aber noch Mitte 2009 ein (nur 1>) für Recht Gericht erkennt:
„Nach der Rechtsprechung des OVG ... ist allein die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Wohnung zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "Innehaben einer Zweitwohnung" nicht ausreichend. … Es kann offen bleiben, ob dieser Auffassung in jeder Hinsicht zu folgen ist, …“
habe ich einfach so - zumindest für alle Länder der deutschen Stämme - meine Zweifel an Deiner Aussage, dass „eigentlich alle Gerichte“ der Vorgabe des BVerfG folgen. Entsprechende „Literatur“beispiele lassen sich bestimmt auch finden.

Wohnung
Hinsichtlich des melderechtlichen Wohnungsbegriffs bin ich anderer Auffassung. Er ist für den Regelungsbereich des Melderechts hinreichend bestimmt normiert und systemkonform. Auf das Zweitwohnungsteuerrecht ist er aber nicht übertragbar. Er ist dort systemwidrig.
Am Rande: Ob „benutzt wird“ enger oder weiter zu verstehen ist als „benutzt werden kann“ hat auch zwei Seiten. Ein eindeutiges JEIN.

für den persönlichen Lebensbedarf
Nach meinem Kenntnisstand wird dieses Kriterium in der Aufwandsteuer zur Rechtfertigung der Steuer als solcher verwendet. Eine Aufwandsteuer darf nur den Aufwand für den persönlichen Lebensbedarf besteuern.
Auf die Zweitwohnungsteuer bezogen, verstehe ich das so:
1. Eine Wohnung, die nicht dem persönlichen Lebensbedarf dient, kann keine Zweitwohnung sein.
2. Die Aussage „Eine Zweitwohnung, die dem persönlichen Lebensbedarf dient“ ist von der Definition der Zweitwohnung her absurd, zumindest gedankenlos.
3. Problembeladen kann das sein, wenn eine Wohnung „gemischt genutzt“ wird. Das führt auch heute noch zu unzähligen Rechtstreitigkeiten. Da darf ich mich doch wohl mit Fug und Recht auf den Standpunkt stellen, eine Wohnung, die als Kapitalanlage dient, wird nicht allein dadurch zur Zweitwohnung, weil sie ab und an mal (“vorübergehend“) für den persönlichen Lebensbedarf genutzt wird. Als alleiniger Ansatz, die Zweitwohnungsteuerpflicht zu verneinen, wäre es mir aber zu dürftig. Beim BVerwG komme ich damit sicher nicht, beim Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich nicht durch.
Vom Ergebnis her dürften wir uns hier aber einig sein.

Hatte ich irgendwann schon mal was zur Notwendigkeit der Klarheit der Begriffe geschrieben>

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Bjoern @, Freitag, 22.01.2010 (vor 5682 Tagen) @ Alfred

Hauptwohnung
zu 1.)verstehe nicht, was du damit meinst.
zu 2.) wenn man diese Definition einer Zweitwohnung nimmt, dann wäre nach der systematischen Auslegung des Begriffes Hauptwohnung die Zweitwohnung quasi das Gegenstück

Innehaben
öhm - wenn das OVG sagt, dass die tatsächliche Verfügungsgewalt nicht reicht (sondern auch eine rechtliche Verfügungsmacht gefordert werden muss), dann ist das doch im Einklang mit meinen Ausführungen. mir ist kein Aufsatz oder kein Urteil bekannt, wo sinngemäß zum Ausdruck gebracht wird, dass eines von beiden (rechtlich oder tatsächlich) ausreicht.
weiß jetzt auch nicht, ob dein Zitat auf eine Satzung a la "Innehaben = Nutzen (einer Nebenwohnung)" zutraf

Wohnung
beachte bitte, dass ich nur von der Auslegung des Begriffes "Wohnung" gesprochen habe. nur weil ein umschlossener Raum mit Dach eine Wohnung im Sinne des Meldegesetzes ist, heisst das noch lange nicht, dass deren Nutzer auch steuerpflichtig im Sinne der ZWS ist.
ansonsten gebe ich dir Recht, für mich gehört auch mehr dazu als 4 Wände und 1 Dach, um von einem Steuergegenstand zu sprechen, der eine besondere Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringen soll

Was ist eine Zweitwohnung? 2. Ansatz

Alfred @, Sonntag, 24.01.2010 (vor 5680 Tagen) @ Bjoern

Hallo Björn,

Machen wir die Frage, „Was ist eine Zweitwohnung>“ mal lieber an einem konkreten Beispiel fest. Vielleicht kommt man so besser weiter.

Da legt eine Stadt Ende 2009 für ihre neue Satzung u.a. fest:
1. Gegenstand der Steuer ist das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet.
2. Eine Zweitwohnung ist jede Wohnung, die jemand neben seiner Hauptwohnung für seinen persönlichen Lebensbedarf oder den persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder für mindestens zwei Monate im Jahr innehat.
3. Eine Zweitwohnung muss nach ihrer Beschaffenheit wenigstens vorübergehend die Führung des Haushaltes ermöglichen. Das Vorhalten der hierfür notwendigen Ausstattung lediglich als Gemeinschaftseinrichtung (z. B. hinsichtlich der Kochgelegenheit, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung) steht einer Steuerpflicht nicht entgegen.
4. Hauptwohnung ist die vorwiegend benutzte, auch außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland liegende Wohnung des Einwohners.
5. Für die Hauptwohnung muss keine rechtlich gesicherte Verfügungsbefugnis bestehen.
6. Steuerpflichtig ist der Inhaber einer Zweitwohnung.

Diese Satzung bewerte ich grob wie folgt:
1. Makellos, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
2. Makellos, im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wäre die Norm, wenn da stünde: „Eine Zweitwohnung ist jede Wohnung, die jemand für seinen persönlichen Lebensbedarf neben seiner Hauptwohnung innehat.“
a) den Einschub „ oder für den persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder“ halte ich für falsch.
b) der Satzbau „…neben seiner Hauptwohnung für seinen persönlichen Lebensbedarf im innehat“ weicht zwar von der Vorgabe des BVerfG ab, lässt sich aber verfassungskonform auslegen. Deutlich bleibt für mich als wesentliches Ergebnis: beide Wohnungen müssen für den persönlichen Lebensbedarf innegehabt werden.
c) der Einschub „für mindestens zwei Monate im Jahr“ an dieser Stelle ist für mich bedenklich, zumindest unglücklich, ein Indiz für die „Rechts“auffassung des Sachtzungsgebers. Den Einschub kann man so verstehen und muss ihn, um verfassungskonform zu bleiben, so auslegen, dass die Stadt das Innehaben einer Zweitwohnung für weniger als 2 Monate im Jahr „wegen Geringfügigkeit nicht besteuern will. Es lässt sich ggf. – und so ist es wohl auch gemeint: Wer seine Zweitwohnung weniger als zwei Monate im Jahr nutzt, bleibt steuerfrei. Andere Auslegungsmöglichkeiten verbieten sich nach m.E.
3. Die Definition der Qualität, die eine Zweitwohnung aufweisen muss, ist ersichtlich an das EStG (hier: doppelte Haushaltsführung) angelehnt. Deswegen vermutlich auch bei einer Aufwandsteuer hinzunehmen, nichtsdestotrotz schäbig. „Der Begriff „Vorhalten“ wäre zu hinterfragen. Gut finde ich hingegen, dass diese Definition wenigstens die Fehler der melderechtlichen Wohnungsdefinition vermeidet und, in Verbindung mit 4. sowie mit den Urteilen des BVerwG, für die Hauptwohnung eine höhere Qualität nach sich zieht.
4. Das Anknüpfen an die „melderechtlichen Hauptwohnung“ (eine von mehreren Wohnungen im Inland) wird hier geschickt vermieden. Mit dem Kriterium der vorwiegenden Benutzung/ des überwiegenden Aufenthalts gerät diese Norm wohl klar in Widerspruch zur Grundsatzentscheidung des BVerfG zur ZWSt.
5. Das kann ich drehen und wenden wie ich will: Entweder stimmt Norm 2, mit Rückwirkung auf Norm 1, nicht, oder ich muss „Innehaben“ innerhalb eines Satzes so verstehen, dass es für die Zweitwohnung das „Innehaben mit rechtlich gesicherter Verfügungsbefugnis“ und für die Hauptwohnung als „Innehaben ohne rechtlich gesicherter Verfügungsbefugnis“ zu verstehen wäre. Dazu bin ich erst Mal nicht bereit.
6. Wäre - ohne den Salto rückwärts - bei 5. in meinen Augen makellos, kurz, bündig und unmissverständlich.

Gesamtbewertung: Verfassungswidrig. Nicht empfehlenswert.