Hallo. Ich suche hier Hilfe für eine Freundin. Sie hat das Haus ihrer verstorbenen Eltern in Jade geerbt, wohnt aber in Bremen. Das Haus steht im Nirgendwo, davor eine sehr befahrene Straße, im Ort gibt es nicht viel, ausser einem Einkaufsladen, Feuerwehr. Nicht mal eine Schule. Deswegen ist das Haus schlecht zu vermieten oder zu verkaufen, sie kann sich darum auch gar nicht kümmern. Sie kommt auch nicht dorthin, da sie kein Auto hat und der Weg mit Bus und Bahn und Taxi zu teuer ist. Nun hat die Gemeinde eine nicht unerhebliche ZWS erhoben. Wie könnte sie ihren Einspruch begründen> Habt Ihr einen Rat> Lieben Gruß
ZWS für nicht bezogenes geerbtes Haus?
Alfred , Donnerstag, 05.08.2010 (vor 5424 Tagen) @ mr. gret
Jede Satzung hat Schwachstellen, mit der man die ZWSt aushebeln kann, wenn das zuständige Gericht mitzieht.
Ich habe aber im Netz keine Satzung der Gemeinde Jade gefunden. Deswegen sind in diesem Fall Überlegungen nur allgemein und unter Vorbehalt möglich, zumal auch noch andere wichtige Angaben fehlen.
Ich gehe davon aus, dass die Gemeinde Jade eine Satzung hat, die nicht an das Melderecht anknüpft.
Das Problem ist die Frage der Vermietung/des Verkaufs und was Deine Freundin diesbezüglich unternommen hat. Je mehr, desto besser. Sie muss nachweisen, dass das Haus ausschließlich als Kapitalanlage (Verkauf oder Mietobjekt) anzusehen ist. Gelingt ihr das, ist die auf jeden Fall aus dem Schneider.
Wenn nicht, sieht es düsterer aus. Es hängt es entscheidend von der Satzung ab, was sie machen kann. Da reicht es unter Umständen nicht aus, wenn sie nachweist, dass sie das Haus nicht für den persönlichen Lebensbedarf nutzt.
Knüpft die Satzung hingegen an das Melderecht an, dürfte keine ZWSt anfallen, wenn das Haus nicht für den persönlichen Lebensbedarf genutzt wird.
Prüfen sollte man auf jeden Fall, ob die Steuer realistisch bemessen ist. Sollte sie falsch geschätzt sein, lässt sich dagegen relativ leicht angehen.
ZWS für nicht bezogenes geerbtes Haus?
mr. gret , Donnerstag, 05.08.2010 (vor 5424 Tagen) @ Alfred
Hallo Alfred, vielen Dank für die rasche Antwort.Da haben wir ja schon mal ein paar Anhaltspunkte.
Hier noch weitere Infos. Das Haus ist direkt an der Bundesstraße, seit 2005 unbewohnt und sanierungsbedürftig, Baujahr 1959.
Es ist weder versucht worden, zu verkaufen noch zu vermieten.
Die Gemeinde hat aufgrund einer "internen Tabelle" einen Quadratmeterpreis von 3,19 Euro festgesetzt,wobei sie von einer einfachen Wohnlage ausgegangen ist, aber weder Zustand noch Baujahr noch sonstiges berücksichtigt hat. Auch lag dem Bescheid keine Anlage bei, weder die Tabelle noch sonstiges. Deswegen können wir auch nicht beurteilen, ob die Steuer zu hoch angesetzt worden ist.Ob die Gemeinde eine Satzung hat und ob sie an die Meldepflicht gebunden ist, wissen wir auch nicht. Nun muß sie aber den Einspruch einlegen. Gibt es noch einen Tipp von Dir> Vielen Dank.
ZWS für nicht bezogenes geerbtes Haus?
Alfred , Donnerstag, 05.08.2010 (vor 5424 Tagen) @ mr. gret
Das sieht schlecht aus. Für die Begründung der Steuerpflicht reicht es u.U. aus, wenn sich der Zweitwohnungsinhaber nach den objektiven Gesamtumständen des konkreten Sachverhalts die Möglichkeit der Eigennutzung offen hält. Ich gehe mal davon aus, dass Deine Freundin seit 2005 Inhaberin des Hauses ist. Wenn sie seitdem weder versucht hat, das Haus zu verkaufen noch zu vermieten, fällt mir auf Anhieb erst mal nichts ein, wie man die Annahme einer zweitwohnungssteuerfreien reinen Kapitalanlage nachvollziehbar begründen will.
Das hängt aber entscheidend von der Satzung ab. Die Gemeinde muss eine ZWSt-Satzung haben, sonst dürfte sie keine ZWSt erheben.
Auch die Bemessungsgrundlage muss aus der Satzung ersichtlich sein. Wenn das Haus sanierungsbedürftig ist, könnte man Abschläge geltend machen.
Wehren sollte man sich dennoch. Zur Fristwahrung Widerspruch einlegen mit der Begründung, dass die Freundin das Haus für den persönlichen Lebensbedarf weder nutzt, noch jemals genutzt hat oder jemals nutzen wird. Damit ist erst mal Zeit gewonnen. Schnellstmöglich die Satzung besorgen und auswerten.
ZWS für nicht bezogenes geerbtes Haus?
LionelHutz , Donnerstag, 05.08.2010 (vor 5424 Tagen) @ Alfred
bearbeitet von LionelHutz, Donnerstag, 05.08.2010
In beiden Entscheidungen ist die jeweils beklagte Stadt die unterlegene Partei.
Das Haus ist sanierungsbedürftig und hat zudem die denkbar ungünstigste Lage. Es kann und will keiner drin wohnen. Wenn die Freundin eine andere Wohnung hat und an diesem Ort vielleicht sogar noch arbeitet, dann wird sie die "Bruchbude im Nirgendwo" nicht gerade als Wochenendhäuschen benutzen. Kapitalanlage, sprich: einfach nur Eigentum halten und abwarten, drängt sich da geradezu auf.
Ich denke, das sollte man schon begründen können und auf den gesunden Menschenverstand aller Beteiligter vertrauen.
Auf die Satzung kommt es da nicht mehr wesentlich an.
ZWS für nicht bezogenes geerbtes Haus?
Alfred , Donnerstag, 05.08.2010 (vor 5424 Tagen) @ LionelHutz
Das ist wie mit dem halbvollen/-leeren Glas.
» In beiden Entscheidungen ist die jeweils beklagte Stadt die unterlegene Partei.
Klar. 1995 z.B. deswegen, weil nach der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände die Wohnung des Klägers als reine Kapitalanlage anzusehen ist. Dafür spricht die ganzjährige Beauftragung eines gewerblichen Unternehmens mit der Vermietung der Wohnung ohne Vorbehalt der Eigennutzung. Auch die erzielten erheblichen Einnahmen sprechen für die dauerhafte erwerbsorientierte Vermietungsabsicht. In Einklang mit dem dadurch begründeten Anschein der Nutzung der Wohnung als Vermögensanlage zur ausschließlichen Einkommenserzielung hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht unwidersprochen vorgetragen, er habe die Wohnung weder selbst noch durch Angehörige genutzt. Die für eine reine Kapitalanlage sprechende tatsächliche Vermutung ist durch die Beklagte nicht erschüttert worden.
Da fehlt in diesem vorleigenden Beitrag einiges für die tatsächliche Vermutung einer reinen Kapitalanlage.
» Das Haus ist sanierungsbedürftig und hat zudem die denkbar ungünstigste Lage.
Deswegen wird es als Kapitalanlage gehalten, bis es saniert und verkehrsmäßig exzellent angebunden ist. Zur "denkbar ungünstigen Lage" findet jeder mittelmäßige Immobilienmakler eine begeisternde Beschreibung über traumhafte Ruhe und Abgeschiedenheit.
» ... "Bruchbude im Nirgendwo" nicht gerade als Wochenendhäuschen benutzen. Kapitalanlage, sprich: einfach nur Eigentum halten und abwarten, drängt sich da geradezu auf. ... wird sie die "Bruchbude im Nirgendwo" nicht gerade als Wochenendhäuschen benutzen.
Muss der Richter halt glauben.
» auf den gesunden Menschenverstand aller Beteiligter vertrauen.
Da würde mein einschlägig geschädigter Bekannter spontan rufen: Vor einem Verwaltungsgericht>
» Auf die Satzung kommt es da nicht mehr wesentlich an.
Na ja. Knüpft die Satzung konsequent an das Melderecht an, wäre das Ganze wesentlich einfacher.
ZWS für nicht bezogenes geerbtes Haus?
LionelHutz , Donnerstag, 05.08.2010 (vor 5424 Tagen) @ Alfred
» Das ist wie mit dem halbvollen/-leeren Glas.
Nach der Schilderung des Sachverhalts dient das Haus wohl der Kapitalanlage und unterliegt nicht der Steuer.
In einem Einspruch sollte man gerade die Fakten schildern, die dieses untermauern.
Alles andere macht meiner Meinung nach wenig Sinn.
Mieterträge würden den Aufwand der Vermietung nicht aufwiegen. Die Freundin kommt ja nichtmal ohne Taxi zu dem Haus.
Eine "Bruchbude im Nirgendwo" kann die Freundin auch nicht mal eben an eine gewerbliche Ferienwohnungsvermietungsgesellschaft ganzjährig vermieten.
Richter sind auch nicht grundsätzlich Lebensfremd, zumal es hier ja wirklich auch um einen sehr speziellen Einzelfall geht.
Wenn die Freundin am Ende doch zahlen muss und alles richtig gemacht hat, hat sie leider Pech.
ZWS für nicht bezogenes geerbtes Haus?
Alfred , Donnerstag, 05.08.2010 (vor 5424 Tagen) @ Alfred
» Wehren sollte man sich dennoch. Zur Fristwahrung Widerspruch einlegen mit der Begründung, dass die Freundin das Haus für den persönlichen Lebensbedarf weder nutzt, noch jemals genutzt hat oder jemals nutzen wird. Damit ist erst mal Zeit gewonnen. Schnellstmöglich die Satzung besorgen und auswerten.
Ergänzung zur Nichtnutzung
- auch nicht durch Familienangehörige für deren persönlichen Lebensbedarf genutzt,
- wenn möglich durch Wasser-/Stromverbrauch, Müllabfuhr usw. belegen.
In der Satzung prüfen, wie
die Begriffe
- Wohnung.
- Zweitwohnung
definiert werden.
ZWS für nicht bezogenes geerbtes Haus?
LionelHutz , Donnerstag, 05.08.2010 (vor 5424 Tagen) @ mr. gret
» Hallo. Ich suche hier Hilfe für eine Freundin. Sie hat das Haus ihrer verstorbenen Eltern in Jade geerbt, wohnt aber in Bremen. Das Haus steht im Nirgendwo, davor eine sehr befahrene Straße, im Ort gibt es nicht viel, ausser einem Einkaufsladen, Feuerwehr. Nicht mal eine Schule. Deswegen ist das Haus schlecht zu vermieten oder zu verkaufen, sie kann sich darum auch gar nicht kümmern. Sie kommt auch nicht dorthin, da sie kein Auto hat und der Weg mit Bus und Bahn und Taxi zu teuer ist. Nun hat die Gemeinde eine nicht unerhebliche ZWS erhoben. Wie könnte sie ihren Einspruch begründen>
Der Eigentumsübergang kraft Erbfolge kann alleine einen besteuerungsfähigen Aufwand nicht begründen.
Der Maßstab an dem über die Steuerpflich zu entscheiden ist, ist vom BVerwG relativ präzise vorgegeben:
Leitsatz des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.10.1995, Aktenzeichen 8C 40/93:
Die im Begriff der Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 a GG angelegte Abgrenzung zwischen zweitwohnungssteuerfreier reiner Kapitalanlage und zweitwohnungssteuerpflichtiger Vorhaltung auch für die persönliche Lebensführung erfordert mit Blick auf die
Zweckbestimmung der Zweitwohnung von Verfassungs wegen eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls; die bloße objektive Möglichkeit der Eigennutzung durch den Zweitwohnungsinhaber schließt die Annahme einer zweitwohnungssteuerfreien reinen Kapitalanlage nicht aus.
Orientierungssatz zum Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.06.1997, Aktenzeichen 8 B 113/97:
Für die Abgrenzung einer zweitwohnungssteuerfreien reinen Kapitalanlage von der Vorhaltung einer Zweitwohnung für Zwecke der persönlichen Lebensführung ist im Ausgangspunkt für die subjektive Bestimmung des Verwendungszwecks einer Zweitwohnung nicht die unüberprüfbare innere Absicht des Wohnungsinhabers, sondern nur eine auf die umfassende Würdigung des gesamten Sachverhalts abstellende Beurteilung maßgeblich ist, die sich auf objektive, nach außen in Erscheinung tretende, verfestigte und von Dritten nachprüfbare Umstände gründet. Dabei können einerseits für künftige Veranlagungszeiträume Anhaltspunkte aus vergangenen Veranlagungszeiträumen gewürdigt werden; andererseits reicht es für die Begründung der Steuerpflicht aus, wenn sich der Zweitwohnungsinhaber
nach den objektiven Gesamtumständen des konkreten Sachverhalts die Möglichkeit der Eigennutzung offen hält (vgl. 8 C 40/93 - Urteil vom 10. Oktober 1995).