ZW bei den Eltern vs. normaler ZW; Art 3 GG

Praetor @, Samstag, 18.06.2011 (vor 5105 Tagen)
bearbeitet von Praetor, Samstag, 18.06.2011

In einer schönen Unistadt gibt es seit 2009 ebenfalls ein ZWSteuer. In der ZWSteuersatzung heißt es:

"(...)

§ 3 Steuerbefreiungen

Von den in § 2 Abs. 2 genannten Zweitwohnungen sind steuerfrei

(...)

4. Wohnungen, die Minderjährige oder noch in Ausbildung befindliche Personen bei den Eltern oder bei einem/beiden Elternteil/en innehaben, soweit sie von den Eltern finanziell abhängig sind."

Die letztere Klausel gibt es Bundesweit nicht überall. Hier drängt sich mir die Frage auf: Wieso werden von den Eltern finaziell abhängige Studenten mit ZW bei den Eltern in der Unistadt von der Steuer befreit, von den Eltern finanziell abhängige Studenten mit Zweitwohnung in der Stadt, welche nicht bei den Eltern liegt, mit der Steuer aber belastet>

Aus meiner Sicht ist dies ganz klar eine Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten nacht Art. 3 GG. Und mir will einfach kein verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungsgrund einfallen!

Denn von Art. 6 GG, das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 I GG bin ich genauso betroffen. Ein höherer Verwaltungsaufwand bei dieser Personengruppe oder Vereinfachungsgründe finde ich ebenfalls abwegig.

Eine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu habe ich trotz Juris noch nicht entdecken können...:-(

ZW bei den Eltern vs. normaler ZW; Art 3 GG

Praetor @, Samstag, 18.06.2011 (vor 5105 Tagen) @ Praetor

Fundstellen aus AZ: 1 BvR 529/09 (BVerfG, Entscheidung vom 17.02.2010)

RN 37 am Ende:

"Anders als (...) ist es dem Satzungsgeber gleichwohl unbenommen, Ermäßigungs oder Befreiungstatbestände zu schaffen, die freihlich ihrerseits gleichheitsgerecht ausgestaltet sein müssen."

Eine ganz klare Bejahung der Andwendbarkeit von Art. 3 GG.

RN 38:

"Dem Wesen der Zweitwohnungsteuer als einer Aufwandssteuer entspricht es, solch einen besonderen Aufwand zu besteuern, der durch das Halten einer Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf entsteht, obwohl diese Wohnung für den Steuerpflichtigen eine Zweitwohnung darstellt."

RN 42:

"Die Aufwandssteuer hat den Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes zum Gegenstand"

Der Gesetzgebungskompetenz der Gemeinden nach Art. 105 IIa GG sind durch diese weiteren Voraussetzungen beschränkt. Dies schränkt die Differenzierungsgründe nach Art. 3 I GG weiter ein. Soweit einfachgesetzlich Rechtsgüter geschützt werden sollen und als Differenzierungskriterium herangezogen werden dürfen, müssen diese sich an dem Zweck der örtlichen Aufwandssteuer orientieren.

RN 40:

"Die Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners, die an dem Tätigen eines Aufwands zum Ausdruck kommt, wird bei der Zweiwohnungssteuer auch dann in einer dem verfassungsrechtlichen Aufwandsbegriff genügenden Weise erfasst, wenn sich das Innehaben einer Wohnung im Sinne einer tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsbefungnis lediglich auf die Zweitwohnung bezieht, nicht aber auch - wie typischerweise bei Wohnungen im Elternhaus in den so genannten "Kinderzimmerfällen" auf die Erstwohnung"

Gibt es einen Grund, im Umgekehrten Fall - der fehlenden Verfügungsbefugnis über der Zweitwohnung - eine andere Regelung rechtlich zu bejahen>

RN 41 (zitiert die Rspr. des BVerwG)

"Es komme nur darauf an, dass der getätigte Aufwand ein besonderer Aufwand sei, nicht darauf, von wem und mit welchem Mitteln dieser finanziert werde."

Mit dieser Argumentation fällt mir echt kein Differenzierungsgrund mehr ein. Denn ob der Aufwand aus eigenen Mitteln, welche von den Eltern dazu überlassen wurden, oder ob eine direkte Naturalschenkung vorgenommen wird ist demnach völlig gleichgültig. Die Finanzierungsfrage des Aufwandes ist danach unerheblich.

Über Gedanken und Ideen juristischer Art wäre ich dankbar. Gebe dann auch gerne Tipps an Leidensgenossen ;-) .

ZW bei den Eltern vs. normaler ZW; Art 3 GG

Alfred @, Samstag, 18.06.2011 (vor 5105 Tagen) @ Praetor

In der
» ZWSteuersatzung heißt es:
» § 3 Steuerbefreiungen
» 4. Wohnungen, die Minderjährige oder noch in Ausbildung befindliche
...
Dieser § 3 Abs.4 ist wegen des „Innehabens“ nahezu kompletter Blödsinn. Personen mit Nebenwohnung bei den Eltern sind im Allgemeinen nicht Inhaber dieser Wohnung – sie müssen also überhaupt nicht befreit werden. Gedanken in Richtung Art. 3 GG usw. kannst Du getrost vergessen.
Wäre schön, wenn Du die „Unistadt“ nennen würdest – tut man sich leichter.

ZW bei den Eltern vs. normaler ZW; Art 3 GG

Norman @, Sonntag, 19.06.2011 (vor 5105 Tagen) @ Praetor

» Über Gedanken und Ideen juristischer Art wäre ich dankbar.

Vielleicht einfach mal in den Thread "Studenten und Zweitwohnungssteuer" schauen.

Norman Ziercke

ZW bei den Eltern vs. normaler ZW; Art 3 GG

Alfred @, Sonntag, 19.06.2011 (vor 5105 Tagen) @ Norman

» Vielleicht einfach mal in den Thread "Studenten und Zweitwohnungssteuer" schauen.
Dabei kritisch mit der Prämisse
"Steht die Zweitwohnungssteuer doch als Aufwandsteuer unter der verfassungsrechtlichen Prämisse, gezielt Personen besteuern zu sollen, die sich durch eine besondere finanzielle Leistungsfähigkeit auszeichnen – und Studenten gehören ja gemeinhin nicht zu den Reichen im Lande."
umgehen.

ZW bei den Eltern vs. normaler ZW; Art 3 GG

Praetor @, Sonntag, 19.06.2011 (vor 5104 Tagen) @ Alfred

Erstmal danke für die Antworten.

Und Alfred gebe ich was die "Befreiung" in der Satzung anbelangt recht. Diese ist in der Praxis rein deklaratorisch.

Ein Differenzierungsgrund nach Art. 3 GG liegt dann wohl in der fehlenden Gesetzgebungskompetenz, Kinderzimmer bei den Eltern der Zweitwohnungssteuer zu unterziehen.

Diese Gesetzgebungskompetenz ist auf Aufwandsteuern beschränkt. Und in diesem Aufwandsbegriff sei ein "Innehaben" geboten. Das schließe eine rechtliche und tatstächliche Verfügungsbefugnis mit ein. Das treffe nur auf Eigentümer, Mieter oder [gmeint sind nur rechtlich gesehene] Nutzungsberechtigte.

Das BVerfG stellt den letzteren Satz in einer Entscheidung aus dem Jahre 1983 begründungslos fest. Auch Literaturangaben fehlen dabei. Daher habe ich die Vermutung, diese Auslegung des Aufwandsbegriff ist eigenständig.

Das BVerwG macht sich immerhin die Mühe, warum ein "Innehaben" für den Aufwandsbegriff geboten sein soll. Der Verwendungszweck der Zweitwohnung soll im voraus bestimmbar sein (warum das so sein soll, wird nicht gesagt...). Das könne nur jemand, der auf Dauer über die rechtliche gesicherte Nutzung der Wohnung verfügen könne.

Diese Begründung beißt sich meiner Ansicht nach mit den "Kinderzimmerfällen". Danach wird ja keine Verfügungsmacht über die Erstwohnung verlangt. Der Erstwohnsitzer kann daher jederzeit um seinen Hauptwohnsitz gebracht werden. Ergebnis wäre, dass er nur noch den Zweitwohnsitz hätte, der nach dem Melderecht dann automatisch der einzige Wohnsitz und damit der Hauptwohnsitz wäre. Die Bestimmbarkeit der Zweitwohnung ist demnach genauso eingeschränkt.
Vermutlich würde dann das BverwG argumentieren, es komme aber auf die ganz bestimmte Nebenwohnung an. Aber warum sollte dies so sein> Für den getätigten Aufwand kann der konkrete Wohnsitz egal sein, es kommt ja nur auf den Aufwand in Form einer Nebenwohnung an.
Des Weiter ließe sich dagegen vorbringen, es sei damit nicht gesagt, dass der um den Hauptwohnsitz gebrachte nicht woanders einen neuen Hauptwohnsitz suche, und den alten Zweitwohnsitz als diesen belässt. Das ist einerseits rein spekulativ. Anderseits lässt sich das bei nichtsteuerpflichtigen Nebenwohnsitzer bezüglich seines Nebenwohnsitzes genauso vorbringen.

Aus persönlichen Interesse werde ich den historischen Aufwandsbegriff nochmal nachschauen. Auch wenn es dort wahrscheinlich nichts zum Thema zu finden gibt.

Soweit die hohen Gerichte ihre Rechtssätze nicht oder nur oberflächlich begründen, kann man auch keinen logischen Widerspruch auffinden, weil sie sich immer mit neuen Behauptungen abgewandelt werden können. Das ist wohl so gewohlt. Das BVerfGUrteil vom März 2010 ist daher wohl politisch motiviert gewesen. Man wollte wohl auch Studenten "drankriegen", um sie zum korrekten Melden zu erziehen.

Dagegen alleine zu klagen kann ich vergessen. Die würden es wieder ohne Begründung abbüglen. Dann muss ich leider blechen :crying:

Kennt jemand eine Organisation, welche eine Sammelklage in Gang setzen könnte>

Wenn jemand zur juristischen Theorie noch was weiß oder mit mir diskutieren möchte, ist er herzlich eingeladen.:-)

ZW bei den Eltern vs. normaler ZW; Art 3 GG

Alfred @, Sonntag, 19.06.2011 (vor 5104 Tagen) @ Praetor

» Dagegen alleine zu klagen kann ich vergessen. Die würden es wieder ohne Begründung abbüglen. Dann muss ich leider blechen :crying:
Das deutet auf ein konkretes Problem hin, das solltest Du dann aber auch konkret benennen. Eine juristische Grundsatzdebatte ist da fehl am Platz. Außerdem kämpfst Du eine Schlacht von Gestern. Seit 2010 gilt unumstößlich (bis zur nächsten Entscheidung des BVerfG) als Minimalforderung: Zweitwohnung ist jede nicht vor-/überwiegend genutzte Wohnung (stand im Prinzip schon so in der Überlinger Urfassung, die 1983 für nichtig erklärt wurde). Für eine Sammelklage wirst Du übrigens in DEU niemanden finden.

Anmerkung:
1 Auch wenn es sogar höchstrichterlich missbraucht wird: Ein Erstwohnsitz ist keine melderechtliche Hauptwohnung und eine Nebenwohnung kein Zweit(Neben-)wohnsitz. Der Begriff Wohnsitz in allen Varianten ist bei der ZWSt völlig fehl am Platz
2 Das BVerwG argumentiert wie es will. Im Zweifelsfall behauptet es, das Innehaben einer weiteren Wohnung sei ein anderer Sachverhalt als die Inanspruchnahme einer Erstwohnung. Da kann man nicht mal widersprechen, aber Unfug bleibt es trotzdem.
3. Was eine Aufwandsteuer ist, hat das BVerfG m.E. von Anfang an sauber begründet und ist - m.W. mit einer einzigen Ausnahme (evtl.) - dieser Linie auch treu geblieben.