Fehlerhafte Satzungsregelungen (Magdeburg und anderswo)

Bjoern @, Mittwoch, 16.04.2008 (vor 5946 Tagen)

"§ 3 Entstehung und Ende der Steuerpflicht

(1) Die Steuer entsteht für jedes Kalenderjahr am 01. Januar. Wird eine Zweitwohnung erst nach dem 01. Januar bezogen, entsteht die Steuerpflicht mit dem 1. des Monats des Bezuges. Die Steuerpflicht entsteht frühestens mit dem 1. des Monats, in dem das 18. Lebensjahr vollendet wird.

(2) Die Steuerpflicht endet mit Ablauf des Monats, in dem der Steuerschuldner die Wohnung aufgibt oder die Voraussetzungen für die Annahme einer Zweitwohnung entfallen."

nach § 38 (1) ao entstehen anspüche aus einem steuerschuldverhältnis, sobald der tatbestand verwirklicht wird, an den die satzung die leistungspflicht knüpft.

das ovg brandenburg führt hierzu in einem normenkontrollverfahren aus:

"Unabhängig davon enthält § 3 Abs. 1 Satz 2 ZWS [durch mich an die magdeburger satzung angepasst - in dem urteil war es logischerweise ein anderer § ] einen Fehler, der für sich zur Ungültigkeit der Regelung führt. In der Bestimmung wird für Wohnungen, die erst nach dem 1. Januar "in Besitz" genommen werden, d.h. erst von diesem Zeitpunkt an "inne gehabt werden", das Entstehen der Steuerpflicht auf den Beginn des Monats festgelegt, in dem die Besitznahme erfolgt. Damit wird in Fällen, in denen die Inbesitznahme nicht schon am ersten des Monats erfolgt, die Steuerpflicht zu einem Zeitpunkt begründet, in dem der Steuertatbestand noch nicht verwirklicht worden ist. Das ist unzulässig. Bedenklich ist ferner, dass nach § 3 Abs. 2 ZWS die Steuerpflicht bei Wohnungsaufgabe erst am Ende des Kalendermonats endet, in dem die Zweitwohnung aufgegeben wird. Aufwand kann nur so lange besteuert werden, solange der Betreffende ihn sich leistet."
(vgl. ovg brandenburg, urteil vom 22.11.2006)

könnte man die satzung der landeshauptstadt magdeburg auch damit kippen> oder führt diese rechtswidrige regelung nicht zur nichtigkeit der gesamten satzung>!>

ich würde unter berücksichtigung des mindestinhaltes kommunaler steuersatzungen (§ 2 (1) satz 1 kag lsa - stichwort "entstehung der schuld") schon von einer nichtigkeit der gesamten satzung ausgehen.

wie seht ihr das>>

Fehlerhafte Satzungsregelungen (Magdeburg und anderswo)

Christian @, Mittwoch, 16.04.2008 (vor 5945 Tagen) @ Bjoern

HALLO BJOERN
DAS SIND NETTE EINZELFRAGEN, DIE ICH LIEBER DEN JURISTEN ÜBERLASSE. FÜR MICH IST MEHR VON BEDEUTUNG, DASS BEIM ANKNÜPFEN AN DAS MELDERECHT BEREITS DER ANSATZ DER STEUERPFLICHT NICHT GREIFT.
OB MAN ES SO ENG SEHEN DARF, WIE DAS OVG BRANDENBURG ES TUT, WEISS ICH NICHT. ES GEFÄLLT MIR ZWAR, IST ABER NICHT VON BESONDERER BEDEUTUNG. DA GENÜGT ES, DIE SATZUNG ZU ÄNDERN (SOGAR RÜCKWIRKEND MÖGLICH) UND ALLES IST WIEDER IN BUTTER.
TROTZDEM KANN MAN ES ANBRINGEN, DENN ES IST EIN TROPFEN MEHR, DER DAS SCHON ÜBERVOLLE FASS KOMMUNALER UND RICHTERLICHER SELBSTHERRLICHKEIT ZUM ÜBERLAUFEN BRINGEN SOLL (VON WEGEN „RECHTMÄSSIGE“ SATZUNG).
DA KANN MAN NATÜRLICH GLEICH DIE FRAGE ANHÄNGEN, OB ES ZULÄSSIG IST, EINE AUFWANDSTEUER „VORAB“ ZU KASSIEREN – Z.B. ALS JAHRESSTEUER.
ABER WIE SCHON GESAGT: GEHT AM KERN DER SACHE VORBEI.
GRUSS
CHRISTIAN

Fehlerhafte Satzungsregelungen (Magdeburg und anderswo)

Bjoern @, Mittwoch, 16.04.2008 (vor 5945 Tagen) @ Christian

geht das bei einer nichtigen satzung echt so einfach>>

die norm rückwirkend ändern ... und selbst derjenige, der in der vergangenheit diesbezüglich geklagt hat, schaut in die röhre>>
kann ich mir irgendwie nicht vorstellen ... werd mich aber nochmal schlau machen :confused:

Fehlerhafte Satzungsregelungen (Magdeburg und anderswo)

Yvonne Winkler @, Mittwoch, 16.04.2008 (vor 5945 Tagen) @ Bjoern

» geht das bei einer nichtigen satzung echt so einfach>>
»
» die norm rückwirkend ändern ...

Ja das geht, die Satzung wird dann rückwirkend geheilt.
Verwaltungsakte, die auf Grundlage der rechtswidrigen Satzung erlassen wurden und gegen die eine Widerspruchsverfahren und/oder Klage erhoben wurde, werden aufgehoben. Alle anderen nicht.

Was die vom Brandenburger VG festgestellte Rechtswidrigkeit angeht, so kann ich (als Juristin) nur beipflichten. Ich sehe das genauso, dass eine Aufwandsteuer nur für den Zeitraum erhoben werden kann, an dem der Aufwand wirklich entsteht.
Daher gehen die meisten ZWS-Satzungen auch von einem entstehen nach dem Monat des Bezugs aus.

Ehrlich gestanden bin ich bei der Prüfung der Satzungen so weit gar nicht gekommen, weil bei mir schon viel früher die Rechtswidrigkeit feststand.

Wie Du siehst, fand auch die hallesche Kammer, die die Satzung aufhob, ein weiteres Haar in der Suppe, nämlich der nicht exakt feststellbare Steuerpflichtige.

Ich bin überzeugt, es gibt noch mehr Nettigkeiten, die man beanstanden könnte.

Begründe, was das Zeug hält, Björn.
Gruß Yvonne

Fehlerhafte Satzungsregelungen (Magdeburg und anderswo)

Christian @, Mittwoch, 16.04.2008 (vor 5945 Tagen) @ Yvonne Winkler

Hallo Yvonne,
die kommunalen Fehler sind unerschöpflich. Da sind nicht nur wir hier einer Meinung.
"Das Kreuz mit den Kommunen ist, dass sie mit ihren gesetzgeberischen Befugnissen nicht umgehen können" (Referatsleiterin eines Landesjustizministeriums).
Aber was macht schon ein falsches Ergebnis, wenn der Ansatz nicht stimmt.:-P
Gruß
Christian

Fehlerhafte Satzungsregelungen (Magdeburg und anderswo)

Bjoern @, Donnerstag, 17.04.2008 (vor 5945 Tagen) @ Yvonne Winkler

also meine kommunalaufsichtsexperten haben mir bestätigt, dass man in sachsen-anhalt die nichtige satzung rückwirkend durch eine gültige ersetzen kann ... unter den voraussetzungen des § 2 (2) kag lsa (insbesondere darf die mehrheit der abgabenschuldner durch die neue satzung nicht schlechter gestellt werden als durch die alte satzung)

dies dürfte - wenn man ausschließlich den von mir angesprochenen punkt berücksichtigt - leider erfüllt sein

was wäre also die folge> das gericht erklärt die satzung für nichtig; damit hat sich auch der angegriffene bescheid erledigt ... ich gewinne meinen rechtsstreit (und muss keine gebühren zahlen bzw bekomme diese zurück)
die langsamen mühlen der öffentlichen verwaltung fangen wieder an zu arbeiten ... es muss eine neue satzung erarbeitet und erlassen werden (dauert normalerweise ne weile)
neue satzung tritt rückwirkend in kraft ... stadt muss mir für die vergangenheit einen neuen steuerbescheid schicken (sofern die forderung noch nicht verjährt ist) ... ich muss wieder einspruch & ggf. klage einlegen
bis dahin hat das bverwg hoffentlich entschieden, dass studenten mit hauptwohnung "elterliches kinderzimmer" nicht zur zws herangezogen werden dürfen :-D

oder>!>

Fehlerhafte Satzungsregelungen (Magdeburg und anderswo)

Yvonne Winkler @, Donnerstag, 17.04.2008 (vor 5945 Tagen) @ Bjoern

Ja, so ist das.

In Halle zumindest wurden die ehemals rechtswidrigen Veranlagungszeiträume von der Besteuerung ausgenommen, man besteuerte also nur ex nunc, jedenfalls nach meiner Kenntnis.

Gruß Yvonne

Fehlerhafte Satzungsregelungen (Magdeburg und anderswo)

Christian @, Donnerstag, 17.04.2008 (vor 5945 Tagen) @ Yvonne Winkler

Hallo Yvonne,
wie großzügig doch die Stadt Halle ist. Scheint Geld ja nicht besonders nötig zu haben. Dresden scheint übrigens ebenso zu verfahren.
Im Ernst: Ein wesentlicher Unterschied ist m.E. dann doch, dass durch die Satzungsänderung in Halle (so wie auch in Dresden) rückwirkend Personen besteuert würden, die vorher nicht erfast waren - und das wäre dann wieder ein vielversprechender Grund, um ...:-D
Also keine Großzügigkeit, sondern ein seltener (resignativer>) Anfall von Unrechtsbewußtsein. In BY vmtl. undenkbar, denn da würde der VGH ("V" steht hier für "Verwaltungs") alles unter den Teppich der schöpferischen Gestaltungsfreiheit kommunaler Normgeber kehren.
Histiorische/völkerkundliche Reminiszenz: Hach, waren das schöne Zeiten für die Verwaltung, als der Bürger noch Untertan war und das Maul halten musste - widrigenfalls er von der Obrigkeit eins draufbekommen hat.
Gruß
Christian

Wie hat mal ein ansonster kluger Kopf geschrieben:
"Für den Satzungsgeber ist es ein kleiner Federstrich, eine klare, rechtsstaatlich unbedenkliche Satzungsbestimmung zu erlassen."
Wenn der sich da man nur nicht geirrt hat. Ich neige da eher zu der bereits zitierten Auffassung einer Referatsleiterin in einem Landesjustizministerium.