Sinn und Unsinn

Hintergrund

Für die Aufteilung des Steueraufkommens auf die Kommunen werden in der Regel nur die Einwohner mit Hauptwohnung berücksichtigt (siehe dazu Bundeszentrale für politische Bildung). Einwohner mit Nebenwohnung werden dabei nicht berücksichtigt, obwohl diese zumindest anteilig auch die vorhandene Infrastruktur (u.a. Straßenverkehr, Stadtpark, subventionierte Einkaufsstraße) nutzen und maximal indirekt durch getätigten Umsatz etwas für die Kommune beitragen. Eine Ausnahme gibt es beispielsweise in Bayern, da wird auch die Nebenwohnung mit berücksichtigt.

Beispielsweise erhält die Stadt Mainz für jeden direkten Einwohner jährlich ca. 420€.

Viele Gemeinden begründen diese Steuer auch gar nicht mit den erhöhten Aufwendungen (z.B. stärkere Abnutzung der Straßen, ...), sondern zielen nur auf die Mittelzuweisung aus dem Finanzausgleich. Aus einem Sitzungsprotokoll von Magdeburg geht unter anderen hervor, daß die Stadt ca. ¾ der erhofften Mehreinnahmen aus dem Finanzausgleichsgesetz erzielen will:

Die Erhöhung der Einwohnerzahl von Halle als Effekt der Einführung der Zweitwohnungsteuer bewirkt einen höheren Anteil an den allgemeinen Zuweisungen des Landes zu Lasten von Magdeburg und Dessau.

(Quelle: Stadt Magdeburg)

In Jena ist man einen Schritt weiter gegangen:

Ein Schritt in die richtige Richtung wurde getan, indem man sich ein kleines Hintertürchen offen gelassen hat. Wenn bis zum 30. Juni 2.500 neue Hauptwohnungen netto erreicht werden, dann, so haben sich die Stadtratsmitglieder selbst verpflichtet, wird die geplante Zweitwohnungsteuer nicht eingeführt.

(Quelle: Akrützel, Jenaer Hochschulzeitung)

Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Umzugsbeihilfe und Zweitwohnungsteuer, oder anders ausgedrückt: Zuckerbrot und Peitsche. Im Jenaer Beispiel hat die Stadtverwaltung auf die Steuer bisher verzichtet und ist bestrebt, mit Kampagnen die Menschen zur Anmeldung mit Hauptwohnsitz zu bewegen.

Allerdings haben beide Maßnahmen gesamtwirtschaftlich schädliche Nebenwirkungen. Sie verstärken die bestehende Tendenz der Landflucht, die insbesondere die ländlichen Gebiete trifft. Sie bekommen nun geringere Schlüsselzuweisungen, müssen aber trotz geringerer Einwohnerzahl die Infrastruktur in unverminderter Qualität aufrecht erhalten.

Umzugsbeihilfe

Viele Orte locken mit einer so genannten »Umzugsbeihilfe«. In Dresden erhalten beispielsweise Studenten 150€ (bis 2004 250€), wenn sie im Vorjahr den Hauptwohnung in Dresden angemeldet haben. Hierbei muss man allerdings berücksichtigen, daß solche Maßnahmen als Steuerverschwendung einzustufen sind.

Solange beispielsweise Dresden einen Einwohner mit der Maßnahme gewinnt, hat Dresden mehr Geld im Stadthaushalt – und der neue Einwohner wird sich über das Geld ebenso freuen. Man könnte meinen, es wäre eine Win-Win-Situation:

 EinnahmenAusgaben
Dresdenjhr. +xxx€einm. 150€
neuer Einwohnereinm. +150€einm. 3 Std.

Aber es gibt eine andere Stadt, der nun dieser Einwohner fehlt:

 EinnahmenAusgaben
Dresdenjhr. +xxx€einm. 150€
neuer Einwohnereinm. 150 €einm. 3 Std.
andere Stadtjhr. -xxx€0

Angenommen die andere Stadt startet die gleiche Aktion und ein Dresdner meldet seine Hauptwohnung ab:

 EinnahmenAusgaben
Dresden0einm. 150€
neuer Einwohnereinm. 150€einm. 3 Std.
alter Einwohnereinm. 150€einm. 3 Std.
andere Stadt0einm. 150€

Fazit: Auf Dauer gesehen geben die Städte Geld ohne Gegenleistung aus. Das Geld ist eigentlich für die Erledigung regionaler Aufgaben. Aber hier ist der Bund gefragt, dem Einhalt zu gewähren!

Zweitwohnungsteuer

In ihrem Wesen als Luxussteuer ist diese akzeptabel: wer es sich leisten kann, zwei Wohnungen zu unterhalten, der darf sich auch um das Gemeinwohl am Ort der Nebenwohnung kümmern (Eigentum verpflichtet!). Zudem hatten insbesondere Touristenstädte erhöhte Aufwendungen, wenn sie z.B. die Anbindung von Ferienhaussiedlungen sicherstellen müssen, deren Besitzer allerdings nur mit Nebenwohnung gemeldet waren. Allerdings ist eine Zweitwohnung für Studenten und Pendler in der Regel kein Luxus – sondern eine Notwendigkeit!

Gegenüber denen, die keine zweite Wohnung benötigen, haben die Pendler bereits einen finanziellen Nachteil durch die doppelte Haushaltsführung. Das Einkommensteuergesetz erlaubt allerdings, dass diese Mehraufwendungen als Werbungskosten abgesetzt werden dürfen (EStG §9 Abs. 1, Variante 5) – und dazu zählt die Zweitwohnungsteuer. In dessen Folge zahlt der Pendler weniger Steuern, wodurch insgesamt das zu verteilende Steueraufkommen geringfügig (abhängig vom Grenzsteuersatz) niedriger ausfällt – und folglich alle anderen Städte minimal weniger Geld erhalten.

Studenten werden dagegen voll belastet, wenn sie über keine bzw. nur geringe Einnahmen verfügen. In Bezug auf das verhältnismäßig geringe Budget ist so eine Maßnahme als kritisch einzustufen. Eine Leistungsfähigkeit im steuerlichen Sinne liegt nicht vor, insbesondere wenn sie auf Sozialleistungen wie zum Beispiel dem Mietzuschuss im BAföG oder auf den Unterhalt der Eltern angewiesen sind (Beachte Anmerkung)

Um die Sache weiter zu relativieren: Der übliche Steuersatz beträgt 10%. Eine normale studentische Kaltmiete liegt in der Regel zwischen 100 und 200 €, das würde eine monatliche Belastung von 10 bzw. 20 € ausmachen. Anders als bei der Diskussion um Studiengebühren sind es verhältnismäßig kleine Beiträge.

Langfristig ist davon auszugehen, dass weitere Städte die Zweitwohnungsteuer einführen werden, um dem Einwohnerschwund entgegenzuwirken. Spätestens wenn die letzte Gemeinde die Steuer eingeführt hat, relativieren sich die erhofften Einnahmen durch die Schlüsselzuweisung, die in vielen Städten ca. ¾ der gesamten Mehreinnahmen ausmachen (»Nullsummenspiel«). Ãœbrig bleiben dann nur die direkten Einnahmen der Steuer.

Die Zweitwohnungsteuer als politisches Paradoxon

Die Zweitwohnungsteuer ist ein Paradoxon. Ein Betroffener kann gegen die Erhebung der Zweitwohnungsteuer allein durch die Zweitwohnung nicht politisch vorgehen, bspw. durch einen Bürgerentscheid oder die Wahl einer bestimmten Partei. Wenn er dies tun möchte, muß er sich ummelden. Aber dann hätte er keine Zweitwohnung mehr oder wäre folglich auch kein Betroffener mehr.

Fazit

Eine Zweitwohnungsteuer mag als Luxussteuer gegebenenfalls sinnvoll erscheinen, jedoch nicht für Pendler und Studenten.

Anmerkung: nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 1. März 2006 (Akzenzeichen: XI R 33/04) besteht die Möglichkeit, Aufwendungen des Studiums als Verlustabzugs nach § 10d EStG anzurechnen. Dazu gehören neben Fahrtkosten und Aufwendungen für Lehrmaterial auch Kosten der doppelten Haushaltsführung, zu der auch die Zweitwohnungsteuer gehört. Strittig ist jedoch, ob die doppelte Haushaltsführung anerkannt wird, wenn eine Wohnung bei den Eltern ist.

Letzte Änderung: 30.09.2010