Gerichtsurteil von OVG Koblenz

bjoernrichter @, Dienstag, 20.02.2007 (vor 6367 Tagen)

Student muss nicht zahlen

Viele Uni-Städte haben die Zweitwohnsitzsteuer eingeführt, damit Studenten ihren Hauptwohnsitz am Studienort statt bei den Eltern anmelden. Es geht um viel Geld. Ein Koblenzer Gericht hat die Steuer jetzt gekippt - denn die Zweitwohnung sei bei Studenten kein Luxus.

340 Euro jährlich wollte die Stadt Mainz von einem Studenten kassieren. Der Student wohnt bei seinen Eltern in Landau und hat in Mainz eine weitere Wohnung gemietet. In diesem Fall, so entschied die Stadt, wird die Zweitwohnsitzsteuer fällig - in Mainz zehn Prozent der Kaltmiete. Der Student legte gegen die Forderung Widerspruch ein. Und bekam jetzt Recht.

Der Student muss die Steuer - zumindest vorläufig - nicht zahlen. Das hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einer Eilentscheidung beschlossen. Die Begründung: Die Wohnung bei den Eltern sei kein Hauptwohnsitz im eigentlichen Sinne; der Student habe keine "rechtliche und tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über die Räumlichkeiten". Heißt konkret: Wenn der Student lediglich ein Kinderzimmer im Haus seiner Eltern bewohnt, kann man nicht von einem echten Hauptwohnsitz ausgehen.

"Der typische Fall für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer ist, wenn jemand ein Haus in der Stadt hat und darüber hinaus eine Wochenend-Wohnung auf dem Land", sagt Manfred Stamm, Sprecher des Oberverwaltungsgerichts. Hier werde eine "besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" deutlich, die die Erhebung der Zweitwohnsitzsteuer rechtfertige. Bei Studenten könne man davon jedoch nicht sprechen: "Es handelt sich bei ihnen nicht um einen Luxus, sondern eher um eine Lebensnotwendigkeit", sagt Manfred Stamm.

Der Eilbeschluss des Oberverwaltungsgerichts hat eine "aufschiebende Wirkung" auf die Steuerforderung der Stadt. Er wird dann rechtskräftig, wenn er in einem sogenannten Hauptsacheverfahren bestätigt wird. Die Chancen dafür stehen gut.

Zuckerbrot und Peitsche

Die Zweitwohnungssteuer muss in Mainz zurzeit rund die Hälfte der 35.000 Studenten zahlen. Viele dürften dem Beispiel ihres Kommilitonen folgen und gegen die Steuer angehen - aber nur dann Erfolg haben, wenn sie den Widerspruch bereits innerhalb einer Frist nach Erhalt des Bescheids eingereicht haben. "Ist die Frist dafür abgelaufen, werden andere Studenten mit Zweitwohnsitz die Steuer wohl zahlen müssen", so Gerichtssprecher Stamm. Lediglich Studenten, die neu in die Stadt kommen, werden von Anfang an von der Steuer befreit. Auch die Kommilitonen in anderen Uni-Städten dürfen hoffen. Sie könnten dem Mainzer Beispiel folgen wollen und sich ebenfalls gegen die Steuer wehren.

Gerade große Städte wie München oder Köln haben in den letzten Jahren die Zweitwohnungssteuer eingeführt. Sie wollen die Studenten, die massenweise in die Städte kommen, dazu bewegen, ihren Erstwohnsitz bei den Städten anzumelden. Schließlich profitieren die Städte davon enorm: Pro Einwohner bekommen die Kommunen zusätzliche Mittel aus dem Länderfinanzausgleich. Studenten, die ihren Hauptwohnsitz bei den Eltern lassen wollen, müssen deshalb tief in die Tasche greifen. Der Steuersatz für die Zweitwohnung liegt in Städten oft zwischen 5 und 15 Prozent der Kaltmiete. Bestraft werden Studenten, die lieber in ihrer alten Stadt gemeldet bleiben, oft aus gefühlsmäßiger Bindung zur alten Heimat oder weil sie dort tatsächlich weiter ihren Lebensmittelpunkt sehen.

Seitdem es die Steuer gibt, ist auch die Zeit der Belohnungen weitgehend vorbei. In den letzten Jahren wollten viele Städte die Studenten mit Gutscheinen, Präsent-Tüten oder Begrüßungsgeld dazu bewegen, ihren Erstwohnsitz an den neuen Studienort verlegen. Die Idee kursierte vor allem in ostdeutschen Städten, die unter sinkenden Einwohnerzahlen litten. So gab es in Leipzig ab 1999 das Projekt "Zuzugsbonbons für Studierende", bei dem jeder Student, der sich in der Stadt meldete, mit 49 Euro belohnt wurde.

Viele Städte haben sich mit der Einführung der Zweitwohnungssteuer jedoch von den Geschenken verabschiedet. Frei nach der Devise: Wer nicht freiwillig kommt, der zahlt eben. Wenn die Entscheidung aus Rheinland-Pfalz Schule macht, könnte das die Städte wieder in Zugzwang bringen. Sie wären wieder dort, wo sie vor einigen Jahren schon waren: Sie müssten die Studenten mit anderen Mitteln als der Strafsteuer zum Gang zum Einwohnermeldeamt überreden.

mer/AP/dpa


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