Wahlnachbetrachtung aus Sicht von der ZWSt betroffener Geringverdiener

Schmunzel @, Freitag, 01.10.2021 (vor 1184 Tagen) @ Schmunzel

Theoretisch wäre es bei dieser Wahl erstmals möglich gewesen, die Zweitwohnungssteuer (ZWSt) abzuwählen, da eine der im Bundestag vertretenen Parteien die Abschaffung dieser Steuer (wie von mir zuletzt dargelegt - glaubwürdig) in ihr Wahlprogramm aufgenommen hatte.

Es war allerdings von vornherein klar, dass die „Abwahl“ der ZWSt tatsächlich nur theoretisch war; selbst wenn deren Stellenwert höher gewichtet gewesen wäre (z.B. als einer der 38 Punkte im Wahl-O-Mat).

Erstens hätten alle von der ZWSt Betroffenen das erwähnte Programm kennen und zweitens vollständig an der Wahl teilnehmen müssen.
Schließlich hätten drittens auch alle Betroffenen in gleicher Weise wählen müssen, sofern für sie die ZWSt noch als ausschlaggebend wichtig für ihre Wahlentscheidung gesehen hätten.
Alles an sich schon völlig unwahrscheinlich.

Aber auch wenn all dies so gewesen wäre – hätte es nichts verändert!
Denn der Anteil der von der ZWSt Betroffenen ist (auch wenn das die Betroffenen zuweilen anders empfinden) eine Minderheit.
Fast schon wieder etwas Vorteilhaftes, möchte man meinen – erfreut sich doch beinahe jeden Tag irgendeine Minderheit einer eher asymmetrischen medialen Würdigung.

So war es also zumindest dieses Mal nicht die Frage, ob sich die ZWSt „abwählen“ ließe.
Vielmehr war die Frage, wo man diesem Ziel (allerdings nur durch andere Effekte summiert) am nächsten gekommen ist?
Und ob es auf Grund dieser Stimmverteilung eventuell bei der nächsten Kommunalentscheidung zur Abschaffung der ZWSt reichen könnte?

Die Antwort ist, dass dies mittels einer Wahl beispielsweise in Bayern niemals möglich sein wird!
In Bayern bleibt so in der Tat nur der Klageweg, der freilich die ZWSt nicht abschaffen wird.
Oder gibt es da Hoffnung?
Ganz anders schaut es in Sachsen aus.
Hier stellvertretend das Ergebnis aus dem Wahllokal meines Stadtteils:
https://wahlen.regioit.de/4/bt2021/14511000/praesentation/ergebnis.html?wahl_id=3&s...
(ohne Briefwahl)
Aber auch hier würde es nicht reichen, da ein Stadtteil nicht für die ganze Stadt steht und bei einer künftigen Abstimmung ein Antrag gegen die ZWSt nur dann durchkäme, wenn mehr als 50 % der Stadträte dafür wären, was unrealistisch ist und bleibt!
(siehe dazu unten* und **)

Immerhin:
In diesem Stadtteil gibt es viele geringverdienende Pendler (immer noch eine Minderheit bezüglich aller Wähler), deren Verbitterung über die ZWSt im Ergebnis etwas zum Ausdruck gekommen sein mag…
In Zukunft wird es für Jene allerdings noch härter werden, denn der Weg zum Arbeitsort wird spätestens nächstes Jahr noch teurer.
Aber das ist schon wieder ein anderes Thema und gehört nicht in dieses Forum.


*Hier sei angemerkt, dass am Tag der letzten Abstimmung über die Abschaffung der ZWSt in Chemnitz
am 30. Oktober 2019 auch und gerade die FDP wieder ganz vorne mit dabei war, diese Steuer beizubehalten.
Ich erwähne dies deshalb, da sich immer wieder der Mythos hält, die FDP sei dagegen. Es mag vereinzelt regionale Ausnahmen geben, wo dies vorkommt. In aller Regel ist das aber nicht so!

**Die Linke schrieb mir vor 2 Jahren:
ZITAT
„…finde es nicht richtig geringverdienende Berufspendler dafür zu bestrafen und zu benachteiligen, dass sie sich der in unserer neoliberalen Arbeitswelt geforderten und erzwungenen Flexibilität beugen und hohe persönliche Belastungen auf sich nehmen um ihre Arbeitskraft dort zu verkaufen, wo es der Markt von Ihnen verlangt.
DIE LINKE sieht die zunehmende Entgrenzung von Arbeits- und Lebenswelt, die ja vor allem bei Berufspendlern erlebbar ist, sehr kritisch...
Denn natürlich ist uns bewusst, wie viele Hunderttausende Ostdeutsche jede Woche in die alten Bundesländer pendeln, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Wir nehmen ihre Anregung sehr gern auf und werden überprüfen, ob die
Zweitwohnsteuer sozial gerechter gestaltet werden kann oder sich als
falsches Steuerungsmittel entpuppt bzw. ob und wie da weitere Ausnahmen eingeführt werden können.“

ZITAT ENDE

Es gab allerdings nie eine wie auch immer geartete Reaktion (auf welcher Ebene auch immer).
Und das hat bestimmt vor allem mit folgender Fehlannahme zu tun, die in besagter Antwort auch schon zum Ausdruck kam:
ZITAT
„Da … aber bekannt ist, dass zum Beispiel von den Professoren der technischen Universität nur ein Bruchteil auch in Chemnitz lebt (Hauptwohnsitz), sind wir bisher davon ausgegangen, dass diese Steuer sinnvoll einen kleinen Beitrag leisten kann … die schlechte
Finanzlage der Kommunen zu verbessern und dabei eben nicht zu sozialen Problemen führt, bzw. die „Falschen“ trifft.“

ZITAT ENDE

Ein Blick auf das gerade gezeigte konkrete Wahlbeispiel verdeutlicht warum die Linke dort nur auf Platz 5 (vormals oft Platz 2) landete:
Weil sie tatsächlich allen Ernstes glaubt (übrigens nicht weiß), dass es schon die „Richtigen“ träfe – Professoren beispielsweise.
Von den 4000 in Chemnitz ZWSt-Zahlenden können aber nur maximal 170 Professoren sein.
Mehr Professoren gibt es an der Uni nämlich gar nicht.
Kurzum: Die Linke hat Ihrem eigenen Verständnis für Geringverdiener NICHTS folgen lassen; Hauptsache das Wahlprogramm war das am vorbildlichsten gegenderte…


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