Geschwurbel
Mal exemplarisch aufgezeigt, warum eine "Schlappe für die Richterschaft" überhaupt nicht möglich sein kann. Einigen Lesern zu Liebe habe ich die bayerische Landeshauptstadt München ausgewählt.
Die Zweitwohnungsteuersatzung der Landeshauptstadt München enthält eine Ausnahmevorschrift, die wohl als Befreiung von der Steuerpflicht zu verstehen ist.
„Als Zweitwohnungen gelten nicht: … „Wohnungen, die verheiratete und nicht dauernd getrennt lebende Personen aus beruflichen Gründen in der Landeshauptstadt München innehaben, wenn sich die Hauptwohnung der Eheleute außerhalb der Landeshauptstadt München befindet“, § 2 Abs. 3 Nr. 3. ZWStS München
Welchen Zweck diese Vorschrift haben soll, ist einigermaßen klar:
„Die Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 3 Nr. 3 ZwStS bezweckt ersichtlich die Umsetzung der Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316) getroffen hat“, Bay VGH Beschluss vom 17.03.2009 - 4 CS 09.25 und in st. Rspr.
Klingt einleuchtend, denn jeder der Lesen kann, findet dies im (nichtamtlichen) Leitsatz zu diesem Beschluss bestätigt.
„Die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, diskriminiert die Ehe und verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 GG.“
Diskriminierung der Ehe – das darf natürlich nicht sein. Die Zweitwohnungsteuersatzung der bayerischen Landeshauptstadt München diskriminiert mit ihrer Definition des Steuergegenstandes selbstverständlich die Ehe – anders geht es nun mal nicht. Das darf aber in einem demokratisch-christlichen geprägten Freistaat nicht sein. Deswegen muss diese Ausnahmevorschrift her, die in ihrem klaren Wortlaut natürlich nun auch wieder nicht verfassungskonform ist.
„Auch wenn § 2 Abs. 3 Nr. 3 ZwStS nicht ausdrücklich den Hinweis enthält, dass die Befreiung von der Steuerpflicht nur bei vorwiegender Nutzung der Nebenwohnung eintritt, ist diese Voraussetzung in die Vorschrift hineinzulesen, weil sie nur so mit Verfassungsrecht vereinbar ist“, Bay VGH a.a.O.
Die Begründung scheint offensichtlich:
„Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts stellen zweifelsfrei auf die „vorwiegend genutzte Wohnung“ ab (BVerfG, a.a.O. S. 337). Nach Sinn und Zweck der Vorschrift greift daher die Privilegierung des § 2 Abs. 3 Nr. 3 ZwStS nur dann ein, wenn es sich bei der als Nebenwohnung gemeldeten Wohnung um die überwiegend genutzte Wohnung handelt, die wegen der besonderen familiären Umstände melderechtlich gerade nicht als Hauptwohnung angemeldet werden kann“, Bay VGH a.a.O.
Erstaunt stellen wir fest: Nun wird wegen hinzutretender besonderer Umstände die Ehe plötzlich mit dieser Ausnahmevorschrift privilegiert, weil sie (nicht mehr) diskriminiert wird.
„Allein der unterschiedliche Familienstand kann bei ansonsten gleichen tatsächlichen Umständen, die melderechtlich gleich zu beurteilen sind, die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen, vielmehr müssen bei verfassungskonformer Auslegung besondere, die Privilegierung rechtfertigende Umstände hinzutreten“, Bay VGH a.a.O.
Da staunt eigentlich nur der Laie, und mancher mag sich seinen Teil denken. Aber ihm sei gesagt: Er denkt in die falsche Richtung. Denn eines ist sicher: Um Rechtsbeugung handelt es sich hier auf keinen Fall. Es kann weder die Rede davon sein, dass der erkennende Spruchkörper hier vorsätzlich Recht falsch angewendet hätte – das scheint schon deswegen unmöglich, weil er ja im Namen des Volkes „für Recht erkannt“ hat. Und von einem schwerwiegenden Fall kann hier auch nicht die Rede sein, denn schließlich führt die Höhe der Zweitwohnungsteuer nicht zu einer derart einschneidenden Belastung, dass damit irgendwelche Rechte verletzt werden könnten.
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