Statistisches zur Zweitwohnungsteuer

Bjoern @, Donnerstag, 19.06.2008 (vor 6200 Tagen) @ Tilly

Hallo ihr beiden,

ihr macht gerade ein anderes Fass auf:

die - bei entsprechender Ausgestaltung unter Beachtung der vom BVerfG aufgestellten Grundsätze - juristische Unbedenklichkeit der Zweitwohnungsteuer führt nicht automatisch dazu, dass sie auch aus ökonomischer Sicht legitim ist.

aus "betriebswirtschaftlicher Sicht" der jeweiligen steuererhebenden Kommune mag ja die Einführung einer ZWS gerechtfertigt sein ... aus "volkswirtschaftlicher Sicht" sieht die ganze Sache schon wieder ganz anders aus. wegen der negativen Auswirkungen (die ihr beiden teilweise schon angesprochen habt) würden es die Fachleute (erwähnenswert wären hier beispielsweise: Steinrücken/Jaenichen „Die Besteuerung von Nebenwohnsitzen auf kommunaler Ebene – eine Analyse aus finanzwissenschaftlicher Sicht“; KStZ 2003, 207 oder Blankenburg „Rechtliche und finanzwissenschaftliche Aspekte der Zweitwohnungsteuer“; Wirtschaftsdienst 2003, 272) begrüßen, dass die ZWS generell abgeschafft wird und statt dessen die Nebenwohnungen in den staatlichen Finanzausgleich mit einfließen.

nur zwei, drei kleine Gedankengänge:
momentan werden bei der Bemessung des staatlichen Finanzausgleiches nur Hauptwohnungen berücksichtigt. wenn ein Bürger mit mehreren Wohnungen durch eine ZWS veranlasst wird, seine Hauptwohnung zu ändern ... dann erleidet der bisherige Hauptwohnsitz dadurch logischerweise einen Einkommensverlust, während der neue Hauptwohnsitz zusätzliche Einnahmen erzielt. Der Gesamtfinanzausgleich verharrt auf dem selben Niveau; lediglich die räumliche Verteilung ändert sich. Verlierer dieses Nullsummenspiels ist der ländliche Raum ... ob dies aus volkswirtschaftlicher Sicht gewollt ist, darf stark bezweifelt werden.

weiterhin sind die sogenannten Allokationswirkungen zu beachten: die ZWS verteuert das Wohnen und bewirkt damit einen Rückgang der Nachfrage nach Wohnraum bzw. Mietwohnungen. konsequenterweise können daher nur attraktive Kommunen eine ZWS verlangen. Gemeinden in strukturschwachen Gebieten und mit hohen Wohnungsleerständen würden ihre Strukturprobleme durch eine Einführung der ZWS eher verschärfen.
folglich führt die ZWS zu einer doppelten Benachteiligung des strukturschwachen ländlichen Raumes.

im Übrigen wurden die Gegenleistungen der öffentlichen Hand, welche die Einführung der ZWS rechtfertigen sollen, auch ohne diese Steuer von den Kommunen bisher erbracht. und die Rechtfertigung nach der Äquivalenztheorie hat noch einen weiteren Haken:
das Innehaben einer weiteren Wohnung wird einerseits durch die ZWS zusätzlich belastet; es erfolgt aber andererseits durch den Steuerpflichtigen keine zeitlich intensivere Nutzung der Infrastruktur. schließlich ist der Mensch als Steuersubjekt "unteilbar"; d.h. er kann nur an einem Ort Infrastruktur "konsumieren" (ein Bürger kann beispielsweise nicht gleichzeitig am Ort seiner Haupt- und Nebenwohnung seine Kinder zur Schule schicken oder öffentlich finanzierte Kulturangebote wahrnehmen). daher kann aus dem Innehaben mehrerer Wohnungen nicht direkt auf einen stärkeren Infrastrukturkonsum, der durch eine höhere Steuer abzugelten sei, geschlossen werden. daher führt eine genauere Betrachtung des Äquivalenzgedankens unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten eher zu einer Verletzung dieses Prinzips!


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