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Christian @, Samstag, 22.09.2007 (vor 6085 Tagen) @ picture-imp

Hallo Patrick,

mehr Gerichtskosten als ZWSt zahlst Du nur, wen Du am Ende verlierst. Was ja nicht sein muss.

BVerfGE 65, 325 vom 6. Dezember 1983 (2 BvR 1275/79), Absatz 39:
Das Zitat ist zwar richtig, aber nicht die Entscheidung des BVerfG, sondern das Vorbringen des Beschwerdeführers. Der kann sagen, was er für richtig hält, entscheidend ist, was das BVerfG beschließt. Und das sagt zur Zweitwohnung und dem danach entstehenden Steueranspruch:
„Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt.“
Das ignorieren die Städte beharrlich, indem sie das „Nutzen einer Hauptwohnung“ mit dem „Innehaben einer Hauptwohnung (= Erstwohnung)“ gleichsetzen und auf diese Weise glauben, sich um die Hauptwohnung nicht mehr kümmern zu müssen. In diesem Glauben werden sie durch die Gerichte in BY und NRW derzeit bestärkt - ob auf Dauer und wie lange noch, muss sich zeigen. Seit dem von Dir zitierten Beschluss des OVG RLP vom 29. Januar 2007 - 6 B 11579/06.OVG):
ist da eine Menge ins Rutschen geraten, und die Luft wird etwas dünner für die Kommunen. Aber sie wehren sich natürlich mit allen Mitteln und werden von der Landespolitik aus offensichtlichen Gründen gnadenlos unterstützt.
Warum in BY und NRW die Gerichte anders entscheiden und die Vorgaben des BVerfG zur Zweitwohnung beharrlich ignorieren, ist für mich und viele andere nicht nachvollziehbar und ruft - auch und gerade bei Juristen - Kopfschütteln hervor. Zur Entschuldigung kann man allenfalls darauf hinweisen, dass sie der von den Kommunen verursachten Sprachverwirrung auf den Leim gekrochen sind. Das dürfte zwar auch nicht sein - aber Richter sind auch Menschen. Und manchmal werden sie auch derb getadelt:
„Die Verfassungsbeschwerde ist nicht unzulässig und auch nicht offensichtlich unbegründet. Vielmehr spricht vieles dafür, dass das OLG gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen und damit willkürlich das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter verletzt hat. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt unter anderem dann vor, wenn sich eine Entscheidung bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm so weit von dem sie beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen, also willkürlich ist.“
Das ist wohl deutlich genug.
Auch eine Bemerkung wie:
Die im Verfahren 1 BvR 2627/03 angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Verwaltungsgerichts und der Stadt Dortmund … beruht auf der verfassungswidrigen Satzung
sollte dem betroffenen OVG, das die Verfassungswidrigkeit der Satzung nicht erkennt, mehr zu denken geben, als es offensichtlich der Fall ist.
Kleine Randbemerkung: Die verfassungswidrige Satzung der Stadt Dortmund ist heute noch unverändert in Kraft und Dortmund verhängt ungeniert Zweitwohnungsteuerbescheide. Maßnahmen der kommunalen Dienstaufsicht: Keine!
Und noch eins: Inzwischen gibt es eine Stadt, die sogar behauptet, das BVerfG habe 2005 „herausgearbeitet“, dass es auf das Innehaben einer Erstwohnung nicht ankomme. Da die Stadt in NRW liegt, steht zu erwarten, dass sie damit beim OVG sogar durchkommt. Da wird man dann halt das BVerfG selbst befragen müssen, was es denn eigentlich herausgearbeitet hat.

Manches muss man auch in Zusammenhang lesen, die Formulierung
„dass der Abgabenpflichtige sich zugleich eine Erstwohnung leistet“
wird z.B. von Prof. Dr. H.-W. Bayer (Erfinder der Ferienwohnungsteuer) gerne verwendet und besagt nichts anderes, als „dass der Abgabenpflichtige zugleich eine Erstwohnung innehat“. Also das, was der BVerfG 1983 auch vorgegeben hat. So Wischiwaschi ist das also nicht, was das OVG RLP da von sich gibt - nur abgekupfert.

Zur vertiefenden Information lese Dir mal den Artikel von Yvonne Winkler „Problemfragen bei der Erhebung der Zweitwohnungsteuer aus der Sicht Studierender“ durch. Findest Du im Netz problemlos. Beachte beim googeln aber, dass in dem Artikel „Zweitwohnungsteuer“ richtig geschrieben ist - nämlich mit 1 ‚s’ in der Mitte. Da ist allerdings vieles noch als Frage/Meinung formuliert, was seit Erscheinen des Artikels durch die OVGs von RLP und M-V in der Rechtsprechung (erneut) bestätigt wurde.
Wenn Du den Gang vor Gericht scheust - was verständlich ist, denn solche Leute werden von Kommunen gerne als Querulanten wenn nicht bezeichnet so doch als solche angesehen - „ziehe um“ - jährlich.

Gruß

Christian


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