Ab- und neu anmelden statt ummelden?

Christian @, Samstag, 22.09.2007 (vor 6060 Tagen) @ picture-imp

Hallo Patrick,

ganz so ist es nicht. Das Bundesverfassungsgericht und das -verwaltungsgericht sagen das oft genug, es ist mehr als deutlich. Außerdem muss man das nicht immer dazu sagen - das ist Definitionssache. Wenn jemand eine Nebenwohnung nutzt, muss ich auch nicht ausdrücklich immer sagen, dass er auch eine Hauptwohnung nutzt (auch wenn mindestens 1 Stadt das für nötig hält). Einen Zweitwagen kann man auch nur haben, wenn man einen Erstwagen hat usw. Nur, besonders intelligente Verwaltungsjuristen haben den semantischen Dreh gefunden, die Zweitwohnung von der Erstwohnung abzukoppeln und manche Spruchkörper dazu gebracht, das auch zu glauben. Wäre fast ein Thema für eine Doktorarbeit: „Die Glaubensstärke in der Justiz unter besonderer Berücksichtigung der einzelnen Stämme des deutschen Volkes“. Vielleicht findet sich der eine oder andere Rechtsdirektor einer deutschen Großstadt, der sich dieser Aufgabe unterzieht - ich helfe ihm gerne dabei (natürlich im Rahmen des akademisch Zulässigen).

Das BVerfG hat 1983 u.a. festgelegt:
1. „Sie [die Aufwandsteuern] sind Steuern, die an das Halten eines Gegenstandes oder an einen tatsächlichen oder rechtlichen Zustand anknüpfen.“
2. „Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Diese wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu besteuern, ist die erkennbare Absicht des Satzungsgebers
3. „Steuergegenstand der Zweitwohnungssteuer ist das Innehaben einer Zweitwohnung, somit ein Zustand, der die Verwendung von Einkommen ausdrückt.“ …“ (1. bis 3. können auch als „Axiom der Zweitwohnungsteuer“ bezeichnet werden.)
4. „Bei der Zweitwohnungssteuer kann der Inhaber Eigentümer, Mieter oder sonstiger Nutzungsberechtigter sein.“ Oder. wie das BVerwG sinngemäß formuliert: „Inhaber ist, wer berechtigt die tatsächliche Verfügungsgewalt ausübt.“

Das alles ist eigentlich ziemlich eindeutig und sollte auch verständlich sein. Satzungen, die diesen Zusammenhang nicht berücksichtigen und das „Nutzen einer Nebenwohnung“ mit dem „Innehaben einer Zweitwohnung“ gleichsetzen, sind schlicht verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen Art 3 Abs. 1, Art. 6 Ab. 1 und meist wohl auch gegen Art 105 Abs. 2a GG. Gibt bestimmt noch mehr relevante Artikel, aber die drei genügen und sind fast schon juristischer Overkill.

Man könnte auch darüber nachdenken, ob die Wohnungsdefinition des Melderechts auf eine „Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf, die typischerweise wirtschaftliche Leistungsfähigkeit demonstriert“ überhaupt Anwendung finden darf. Gezielt danach gefragt, haben das bisher alle Gerichte verneint - trotzdem steht es unverdrossen weiter in vielen Satzungen.

Wenn Du jetzt alle gerichtlichen Entscheidungen zur ZWSt durchlesen willst, hast Du eine Menge zu tun. Im Prinzip genügt der o.a. Beschluss des BVerfG - der Rest verdirbt (bei Nichtjuristen) nur den Charakter.

Gruß

Christian


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