News: Interview mit Thomas Weihermüller
Die Landeshauptstadt Dresden hat die Zweitwohnungssteuer zum Jahresanfang eingeführt. Im Januar erhielten die Betroffenen sogenannte Fragebögen mit denen die für die Steuer notwendigen Details erfaßt worden sind. Im Interview gibt es heute Thomas Weihermüller, dem Leiter des Dresdner Steueramtes, über den weiteren Verlauf.
ZWS: Demnächst werden die Bescheide über die Zweitwohnungssteuer an die Betroffenen versendet. Wieviele Bescheide werden es voraussichtlich? Und wie hoch schätzen sie die Anzahl der eingehenden Widersprüche?
TW: Die Auswertung und elektronische Erfassung der eingegangenen Steuererklärungen wird noch bis in den April hinein andauern. Wir gehen nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen davon aus, daß - wie erwartet - etwa 4.000 Wohnungen steuerpflichtig sein werden.
Über die Anzahl möglicher Widersprüche läßt sich gegenwärtig naturgemäß noch keine Aussage treffen. Viele Studenten haben bereits auf dem Erklärungsformular mitgeteilt, daß aus ihrer Sicht aus rechtlichen Gründen keine Steuerpflicht besteht. Diese Einwendungen werden geprüft. Bestehen die in der Dresdner Satzung vorgesehenen Gründe für eine Steuererhebung dennoch, wird ein Steuerbscheid erteilt. Eine Vermutung, wie viele der Betroffenen dann eine rechtliche Nachprüfung im Widerspruchsverfahren wünschen, wäre aber reine Spekulation.
ZWS: Wie werden die Widersprüche geprüft? Werden soziale Belange (z.B. Sozialhilfeniveau) berücksichtigt?
TW: Hier muß man trennen zwischen der Überprüfung der eigentlichen Steuerfestsetzung (= Widerspruchsverfahren) und einer Entscheidung über einen nachträglichen Erlaß der (zuvor rechtmäßig festgesetzten !)Steuer.
1. Widerspruchsverfahren:
Im Widerspruchsverfahren werden wir die betroffenen Steuerfälle nochmals umfassend dahingehend prüfen, ob die Bestimmungen der Dresdner Satzung korrekt angewendet wurden und ob in einem Einzelfall möglicherweise höherrangiges Recht eine Besteuerung ausschließt.
WICHTIG: Ein Widerspruch hat KEINE zahlungsaufschiebende Wirkung - die im Steuerbescheid festgesetzten Beträge sind deshalb termingerecht zu entrichten !
Übrigens: Das unter vielen Studenten diskutierte Urteil des Verwaltungsgerichtes Lüneburg vom 28. Juli 2004 dürfte in Dresden keine Rolle spielen. Nach der § 3 der Dresdner Satzung kommt es für die Steuerpflicht in erster Linie auf die "melderechtlichen Verhältnisse" des Nebenwohners an - auch wenn dann für Nebenwohnungen, die den Anforderungen in der Sächsischen Bauordnung nicht genügen, keine Steuer erhoben wird. Dem in Lüneburg entschiedenen Fall lag eine andere Konstellation zu Grunde.
2. Erlaßentscheidung:
Ein Erlaß einer (rechtmäßig festgesetzten) Steuer kommt in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer "nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre" (§ 227 der Abgabenordnung). Eine solche Unbilligkeit liegt nach unserer Auffassung nicht bereits dann vor, wenn der Betroffene nicht über genügend Einkommen verfügt. Vielmehr muß der Betroffene darüber hinaus durch objektive Gründe daran gehindert sein, in Dresden seine Hauptwohnung zu nehmen.
In dieser Auffassung sehen wir uns durch die hier im Forum bereits diskutierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Oktober 2005 bestärkt. Das BVerfG hat in seiner Urteilsbegründung folgendes ausgeführt:
[blockquote]Zum von Art. 6 Abs. 1 GG geschütztem ehelichen Zusammenleben gehört die Entscheidung der Eheleute, zusammenzuwohnen. ... Steuerlich belastet wird die Entscheidung, die gemeinsame eheliche Wohnung nicht aufzulösen und bei Wahrung des Fortbestands der gemeinsamen Wohnung am bisherigen Ort nur eine Zweitwohnung zu begründen. ... Von der steuerlichen Belastung durch die Zweitwohnungsteuer werden solche Personen nicht erfasst, die nicht infolge einer ehelichen Bindung von der Verlegung ihres Hauptwohnsitzes an ihren Beschäftigungsort abgehalten werden.[/blockquote]
Plakativ vereinfacht übersetzt bedeutet dies: Wer die Zweitwohnungssteuer nicht bezahlen kann, muß in die betreffende Stadt mit Hauptwohnung umziehen. Nur wer verheiratet ist, genießt insoweit den Grundrechtsschutz aus Artikel 6 Grundgesetz.
ZWS: Was kostet den Betroffenen das Widerspruchsverfahren und ein evtl. Klageverfahren?
TW: Auf allen Steuerbescheiden wird eine Belehrung über die einmonatige Widerspruchsfrist aufgedruckt sein. Innerhalb dieser Frist kann Widerspruch eingelegt werden.
In der Regel wird dem Widerspruchsführer dann schriftlich der Rechtsstandpunkt der Gemeinde mitgeteilt und die Möglichkeit zur erneuten Rückäußerung oder Rücknahme des Widerspruches eingeräumt.
Nimmt der Widerspruchsführer seinen Widerspruch in dieser Phase des Verfahrens zurück, verzichtet die Stadt Dresden in der Regel ganz auf die - zulässige - Erhebung der dann relativ gering ausfallenden Kosten.
Halten beide Seiten an ihrer Rechtsauffassung fest, ergeht ein Widerspruchsbescheid, gegen den der Steuerpflichtige dann binnen Monatsfrist zum Verwaltungsgericht Dresden klagen kann.
Ob und in welcher Höhe ein Widerspruchsverfahren kostenpflichtig ist, bestimmt sich nach Landesrecht. In Sachsen besteht bei einem abgelehnten Widerspruch Kostenpflicht. Die Kosten trägt bei Erteilung eines Widerspruchsbescheides der Steuerpflichtige. Sie werden nach dem für das Widerspruchsverfahren erforderlichen Verwaltungsaufwand (Personal- und Sachkosten) bemessen. In einfachen Standardfällen dürften für ein Widerspruchsverfahren Kosten ab 35 - 50 EURO entstehen, bei koplizierteren Sachen wirds teuerer.
Die Kosten des Klageverfahrens bestimmen sich nach dem Gerichtskostengesetz. Obsiegt der Widerspruchsführer im Verwaltungsprozeß, gibts in der Regel auch das Geld fürs Widerspruchsverfahren zurück.
ZWS: In einigen Wohnheimen wurden schon "auffällige" Personen gesichtet, die Listen mit Briefkästen abgeglichen haben. Wie verläuft das Prozedere für Personen, die sich nicht gemeldet haben?
TW: Wer in Dresden für voraussichtlich mehr als 6 Monate eine Wohnung bezieht, muß sich im Einwohnermeldeamt anmelden. Wer seinen Pflichten nach dem Sächsischen Meldegesetz nicht nachkommt, handelt ordnungswidrig und kann mit einem Bußgeld belangt werden.
Die Stadt ist verpflichtet, über die Auswertung des Melderegisters hinaus auch zu prüfen, ob jemand "unangemeldet" mit Nebenwohnung in der Stadt wohnt. Auch solche Personen unterliegen unter Umständen der Steuerpflicht und werden daher bei Feststellung aufgefordert, eine Steuererklärung abzugeben.
Wird die Steuererklärung nicht abgegeben, können Verspätungszuschläge festgesetzt und die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden. Wer in seiner Steuererklärung wider besseren Wissens falsche Angaben macht, begeht strafbare Steuerhinterziehung.
ZWS: Gibt es aktualisierte Prognosen, was die Steuer der Stadt finanziell einbringen wird?
TW: In den Monaten Oktober 2005 bis Februar 2006 haben sich insgesamt 4.200 bisherige "Nebenwohner" mehr als im Vergleichzeitraum des Vorjahres als "Hauptwohner" umgemeldet. Darüber hinaus haben sich im gleichen Zeitraum 1.600 Personen mehr als sonst direkt mit Hauptwohnung angemeldet. Damit wird die Stadt Dresden die erwarteten indirekten Mehreinnahmen von rund 2,4 Mio EUR - über höhere Schlüsselzuweisungen auf Grund einer höheren Einwohnerzahl - erreichen.
Auch bei der Höhe der direkten Steuereinnahmen von den in Dresden wohnenden "Nebenwohnern" scheint sich die Prognose (ca. 0,7 - 0,8 Mio EUR) zu erfüllen.
ZWS: Vielen Dank für das Interview!
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