ZWS - Magdeburg

Bjoern @, Dienstag, 12.02.2008 (vor 5941 Tagen) @ Yvonne Winkler

so, nachdem meine Klage beim VG Magdeburg eingegangen ist, möchte ich jetzt auf politischer Ebene auch noch ein wenig auf das Problem aufmerksam machen. möchte an jede Fraktion im Magdeburger Stadtrat einen Brief schreiben, damit die Herren mal sehen, was sie mit ihren Beschlüssen so alles fabrizieren.

folgenden Entwurf stelle ich mal zur Diskussion in der Hoffnung, dass von euch noch einige Verbesserungsvorschläge kommen ...
wäre natürlich super, wenn andere Betroffene ähnliches an die Herren Kommunalpolitiker schicken ... damit sie sehen, dass ich kein Einzelfall bin ;-)

Zweitwohnungsteuer – Ein studentischer Erfahrungsbericht


Sehr geehrte Damen und Herren,

am 02.12.2004 haben Sie im Stadtrat beschlossen, in der Landeshauptstadt Magdeburg eine Zweitwohnungsteuer einzuführen. Am 12.01.2006 mussten Sie auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.10.2005 die Erwerbszweitwohnungen von Verheirateten aus der Steuerpflicht herausnehmen.
Seitdem sind die Magdeburger Studenten der Hauptanwendungsbereich der Zweitwohnungsteuersatzung. Zu dieser Personengruppe gehöre ich und ich möchte Ihnen als Betroffene von meinen Erfahrungen mit Ihrer Steuer berichten:

Der Hauptgrund für die Einführung der Zweitwohnungsteuer war die Hoffnung der Landeshauptstadt Magdeburg, dass sich dadurch viele der ca. 13.000 Nebenwohnungen in einen Hauptwohnsitz umgewandelt werden und dadurch eine höhere allgemeine Finanzzuweisung in die Landeshauptstadt fließt (vgl. Drucksache DS0774/04 der Landeshauptstadt Magdeburg).
Dieses Ziel ist sicher nicht zu beanstanden; auch wenn dies zu Lasten der kleineren Gemeinden geht, aus welchen die Studenten nach Magdeburg kommen und sich schon die Frage stellt, inwieweit die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Treuepflicht der Gemeinden untereinander hiervon Schaden nimmt. Schließlich beteiligen sich die Magdeburger Studenten sehr wohl an den gemeindlichen Aufwendungen der Landeshauptstadt Magdeburg – sei es durch Entrichtung von Benutzungsgebühren, Entgelten usw., so dass Magdeburg eigentlich keinen Nachteil durch die mit Zweitwohnsitz gemeldeten Studenten hat.
Aber das ist nicht Ihr Problem, sondern vielmehr eines des Landesgesetzgebers, da er über den gemeindlichen Finanzausgleich zu entscheiden hat. Sie haben selbstverständlich nur den maximalen Nutzen für Ihre Stadt im Auge!

Dennoch verkennen Sie (oder die Verwaltung hat Sie absichtlich im Unklaren gelassen), dass man als Student keinesfalls ein Wahlrecht hat, welche von mehreren Wohnungen als Hauptwohnung gemeldet werden muss. Vielmehr schreibt das Meldegesetz des Landes Sachsen-Anhalt genau vor, dass die vorwiegend genutzte Wohnung die Hauptwohnung ist (§ 8 (1) MG LSA). Wenn also Studenten nur an 3 oder 4 Tagen in Magdeburg studieren und den Rest der Woche sowie die Semesterferien in ihrer Heimat sind, dass kann die Magdeburger Wohnung nur eine Nebenwohnung sein. Alles andere würde gegen das Melderecht verstoßen. Ich verweise diesbezüglich auf die gefestigte Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichtes; beispielweise im Urteil vom 15.11.1991.

Wenn man sich als Student melderechtskonform verhält, hat man also keine Chance, der Zweitwohnungsteuer zu entgehen!

Interessanter wird die ganze Angelegenheit dann, wenn man sich die geschichtlichen Hintergründe der Zweitwohnungsteuer genauer anschaut. Erstmal eingeführt wurde sie in der Bodenseegemeinde Überlingen, da es die dortigen Stadtväter nicht länger hinnehmen wollten, dass reiche Städter Ferienwohnungen in ihrer Gemeinde errichtet haben, welche 10 Monate im Jahr leer stehen und für die die Gemeinde Aufwendungen zu erbringen hat, ohne dass sich die Eigentümer in irgendeiner Weise an den gemeindlichen Aufwendungen beteiligen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 06.12.1983 eine derartige gemeindliche Aufwandsteuer für verfassungsgemäß erklärt.
Überträgt man diesen Fall auf die Landeshauptstadt Magdeburg, werden Sie sehr leicht erkennen, dass die Magdeburger Nebenwohnsitzler sehr wohl zu den gemeindlichen Aufwendungen einen Beitrag erbringen, da sie sich während des Semesters häufig in Magdeburg aufhalten und Gebühren und Entgelte entrichten (Wasser, Abwasser, Straßenbahn, Kultureinrichtungen etc.).

Verschärfend kommt hinzu, dass sich das Magdeburger Steueramt bewusst über den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Rahmen der Zweitwohnungsteuer hinwegsetzt:
Steuergegenstand der Zweitwohnungsteuer ist, vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 06.12.1983 ausgeführt, das Innehaben einer Zweitwohnung. Was unter einer Zweitwohnung zu verstehen ist, hat das Bundesverfassungsgericht dort abschließend entschieden, nämlich „Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung [= Erstwohnung] ...“ Das „Innehaben“ einer Wohnung wurde in dem Beschluss umfassend beschrieben und ist nach ständiger, gefestigter Rechtsprechung die „tatsächliche Verfügungsmacht und die rechtliche Verfügungsbefugnis“ (Bayer. VGH, Urteil vom 14.02.2007) über eine Wohnung, oder bedeutet „berechtigt die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Wohnung zu besitzen.“ (BVerwG, Beschluss vom 27.10.2003).
Damit ist durch das Bundesverfassungsgericht festgelegt, und zwar weder interpretierbar noch interpretationsbedürftig, dass der Begriff „Zeitwohnung“ im Zusammenhang mit der Erhebung einer Zweitwohnungsteuer nur dann berechtigt ist, wenn zugleich eine Erstwohnung innegehabt wird.

Das Steueramt der Landeshauptstadt Magdeburg ist jedoch der Meinung, auch ohne innegehabte Erstwohnung eine Zweitwohnungsteuer fordern zu können (vgl. www.magdeburg.de „Zweitwohnungssteuer - Antworten auf häufige Fragestellungen“, Erläuterungen zum Punkt „Zweitwohnungssteuer für Studenten“).
Steuergegenstand ist nur noch dem Namen nach das „Innehaben einer Zweitwohnung“. De jure und de facto wird - und das auch nur selektiv - das „Nutzen einer Nebenwohnung“ besteuert.
Die von Ihnen beschlossene Satzung hätte daher nicht unter dem Namen „Zweitwohnungsteuersatzung“ verabschiedet werden dürfen, da sie sich nicht an den hierfür vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Rahmen hält. Vielmehr hätten Sie die Satzung „Nebenwohnungsteuersatzung“ nennen müssen; allerdings müsste sich die Landeshauptstadt Magdeburg für eine derartige Steuererfindung erst den Segen der Rechtsprechung sichern.

Jedoch dürfte sich die Landeshauptstadt schwer tun, in diesem Fall einen steuerbaren Aufwand zu begründen. Wenn man neben der Hauptwohnung noch weitere Wohnungen innehat, so erzeugt man dadurch einen besonderen Aufwand, welcher nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes mit einer örtlichen Aufwandsteuer besteuert werden darf (= die klassische Zweitwohnungsteuer).
Aber das Innehaben lediglich einer Wohnung spiegelt gerade keine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wider, wie beispielsweise die verfassungswidrige Einwohnersteuer belegt. Wohnen gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen; die schlichte Erfüllung dieses Lebensbedarfs ist kein Aufwand, der wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indiziert. (BVerwG, Urteil vom 29.11.1991; Wernsmann: „Verfassungsrechtliche Probleme der Heranziehung von Studierenden zur Zweitwohnungsteuer“, JURA 4/2000; Schwarz: „Rechtsfragen zur Zweitwohnungsteuer“, ZKF 2006, 81). Aber genau dies besteuert die Landeshauptstadt Magdeburg mit Ihrer so genannten Zweitwohnungsteuer.

Wann man eine Wohnung innehat, ist – wie bereits geschildert – inzwischen durch die Rechtssprechung allgemein anerkannt. Ebenso ist es heute unbestritten, dass die Studenten, deren Haupt- bzw. Nebenwohnung das elterliche Kinderzimmer ist, dieses mangels rechtlicher und tatsächlicher Verfügungsgewalt nicht innehaben (vgl. Stellungnahme der Verwaltung SO169/05 vom 23.06.2005 zur FO181/05; Anmerkungen zu Punkt 4).
In meinem Fall ist es so, dass ich durch das Melderecht gezwungen bin, meine überwiegend genutzte Wohnung (= Kinderzimmer bei den Eltern) als Hauptwohnung zu melden und meine Studentenwohnung in Magdeburg als Nebenwohnung. Es ist – wie eben ausgeführt – unstrittig, dass ich die Hauptwohnung mangels Verfügungsgewalt nicht innehabe. Meine einzig innegehabte Wohnung ist also die in Magdeburg. Trotzdem wird von mir eine Aufwandsteuer dafür verlangt, dass ich eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit an den Tag lege; nämlich dadurch, dass ich eine Nebenwohnung innehabe.
Um Ihnen die Idiotie besonders zu verdeutlichen (entschuldigen Sie bitte diesen Ausdruck; aber anders kann man es nicht nennen!): das Steueramt der Landeshauptstadt Magdeburg empfiehlt in der eben genannten Stellungnahme unter Punkt 4 den betroffenen Studenten, durch eine Ummeldung die (angebliche) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wieder herzustellen. Sprich der gleiche Aufwand (eine Wohnung = Studentenwohnung; die andere Wohnung = elterliches Kinderzimmer) stellt dann eine zu besteuernde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dar, wenn die Hauptwohnung das elterliche Kinderzimmer ist; ist das elterliche Kinderzimmer jedoch die Nebenwohnung, so liegt keine zu besteuernde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vor!


Gestatten Sie mir zum Abschluss noch eine Anmerkung:
Ein großes gesellschaftliches Problem momentan in Sachsen-Anhalt ist die Abwanderung von jungen Fachkräften. Wenn Sie während Ihres Studiums - wo Sie finanziell nur dank Bafög einigermaßen über die Runden kommen - derart rechtswidrig abgezockt worden wären, würden Sie sich später in dieser Stadt niederlassen>
Lohnt es sich wirklich für die Landeshauptstadt Magdeburg, sich für eine relativ geringe Zweitwohnungsteuer (in meinem Fall ca. 175 EUR für knapp 2 Jahre) derart die Zukunft zu verbauen>
Gibt es nicht effektivere Wege, um das eingangs geschilderte und durchaus legitime Ziel zu erreichen; beispielsweise durch eine effizientere Überwachung des Melderegisters>

Mit freundlichem Gruß


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