Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Christian @, Dienstag, 06.06.2006 (vor 6526 Tagen) @ Thomas Weihermüller

Hallo Thomas,

Der Ordnung halber vorweg:

1. Die Antwort zu unserer unterschiedlichen Auffassung vom Wesen der Aufwandsteuer steht noch aus.
Wird denn da wirklich eine „besondere“ wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder ein „besonderer“ Aufwand verlangt>
Da sind wir mit der Diskussion evtl. noch lange nicht am Ende.

2. Und wie wollen wir es mit dem Unterschied zwischen „gerechtfertigt“ und „rechtmäßig“ halten> Ausdiskutieren oder auf „rechtmäßig“ beschränken>

Zu den Fragen:

Besteuerungsgegenstand der ZwWhgSt ist die Zweitwohnung. Diese ist häufig - u.a. in Dresden - wie folgt definiert: “Zweitwohnung ist jede Wohnung, die jemand als (melderechtliche) Nebenwohnung neben seiner Hauptwohnung für seinen persönlichen Lebensbedarf inne hat.“ - mit der satzungsinternen Definition, was eine „Wohnung“ sein soll.
Offene Frage 1: Ist bei einer derartigen Definition mit dem Wort „Hauptwohnung“ nur der melderechtliche Hauptwohnungsbegriff gemeint (Auffassung der Städte, weil die Abgrenzung zum vorhergehenden melderechtlichen Nebenwohnungsbegriff gemeint ist) oder muß man auf diesen Begriff auch die satzungsinterne Wohnungsdefinition anwenden (so VG Lüneburg) >


Also: Steuergegenstand ist m. E. das Innehaben einer Zweitwohnung, nicht die Zweitwohnung (vgl.: Hundsteuer).
Der Wohnungsbegriff wäre mir ziemlich egal, er muss nur dem persönlichen/privaten Bedarf „Wohnen“ einigermaßen gerecht werden. Da reicht ein umschlossener Raum einfach nicht. Urteile dazu gibt’s schon. Und er muss auf jeden Fall für beide Wohnungen gelten (ergibt sich schon aus dem Wortlaut der meisten Satzungen).
Und die melderechtlichte Wohnungsdefinition hat noch einen Haken: Sie erfasst nur genutzte, nicht aber „vorgehaltene“ Zweitwohnungen (kommt selten vor, ist aber die höchste Stufe des Aufwands, fast schon Luxus).
Fazit: Der melderechtliche Wohnungsbegriff ist von vorneherein für eine ZWStS nicht geeignet, er ist schlicht systemwidrig (sagt z. B. der Bayerische VGH).
Zusatz: Die ZWStS der Stadt Lüneburg knüpft viel enger an das Melderecht an als die Dresdens.

Offene Frage 2: Folgt aus der Formulierung “Nebenwohnung neben seiner Hauptwohnung ... inne haben“, daß auch die Hauptwohnung „inne gehabt“ werden muß > Wenn ja, genügt dann die tatsächliche Verfügungsgewalt über die als Hauptwohnung genutzten Räumlichkeiten, oder ist hier ebenfalls - wie unstreitig für die als Nebenwohnung genutzten Räumlichkeiten (OVG Münster, Urteil vom 23. April 1993, Az: 22 A 3850/92, KStZ 1994, 12) - auch die rechtlich gesicherte Verfügungsgewalt zu verlangen > Und schließlich: Hat ein Studierender über das Jugendzimmer bei seinen Eltern in diesem Sinne eine „tatsächliche Verfügungsgewalt“, wie es z.B. BFH, Urteil vom 23. November 2000, Az: VI R 107/99, BStBl II 2001, 294 im Zusammenhang mit der Begründung eines Wohnsitzes annimmt>


Ja, für die Aufwandsteuer „ZWSt“ ist das Innehaben einer Zweitwohnung untrennbar verbunden mit dem Innehaben einer Hauptwohnung, da halte ich Meier/Juhre eben für unlauter. Und Innehaben ist nun mal Innehaben - ob Jugendzimmer oder Wohnung -, ob Zweit-, Neben-, Erst- oder Hauptwohnung. Der Unterschied zwischen rechtlicher und tatsächlicher Verfügungsmacht> Letztere ist mir zu subjektiv. Ich neige daher zur rechtlichen Verfügungsgewalt. Kriterium des Innehabens wäre für mich, dass ich rechtliche Möglichkeit habe, Dritte von meiner Wohnung auszuschließen. Und dass kann ein Student in der elterlichen Wohnung nun einmal nicht - egal was der BFH sagt.

Im übrigen stimme ich zu, daß „Wohnsitz“ (§ 7 BGB bzw. § 8 AO) etwas anderes ist als die melderechtlichen Kategorien von „Hauptwohnung“ und „Nebenwohnung“.


Dann sind wir uns ja einig und wären nun streng genommen auf der falschen Seite (ZweitWOHNSITZsteuer.de). Aber wir sollten hier bleiben.

Wir haben da übrigens auch noch einen kleinen - aber unwesentlichen - Lapsus in unseren Erklärungsvordrucken, der aber umgehend korrigiert werden wird


Dann hätten wir ja auch schon einen ersten kleinen Erfolg.

Es gibt übrigens noch einen Aufsatz von Schwarz zu den nach dem BVerfG-Urteil vom Oktober noch offenen Rechtsfragen zur Zweitwohnungssteuer in ZKF (Zeitschrift für Kommunalfinanzen), 2006, Seite 78. Das „Hauptwohnungsproblem“ spielt darin aber bemerkenswerterweise überhaupt keine Rolle ...


Danke für den Hinweis, kenne ich noch nicht, werde ich mir besorgen. Aber vorab die Vermutung: Das Hauptwohnungsproblem spielte z.B. in beiden Beschlüssen BVerfG keine Rolle, da zweifelsfrei feststand und nie bestritten wurde, dass die Kläger sowohl die Erst- wie auch die Zweitwohnung innehatten und zur ZWSt herangezogen werden müssen (ja, auch verheiratete …..). Das ist ja gerade das Kreuz mit diesen Urteilen, dass sie immer nur fallbezogen gelesen werden können und dann die Auslegung beginnt - womit wir auf hoher See wären.

Die übrigen, angerissenen Fragen und Sentimentalitäten würde ich gerne zurückstellen, da sie beim derzeitigen Stand der Dinge zu weit vom Grundsätzlichen wegführen. Sorry, dass ich sie überhaupt aufs Tapet gebracht habe.

Herzliche Grüsse


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