Fachdiskussion [was: Interview / Artikel Meier/Juhre]

Thomas Weihermüller @, Montag, 12.06.2006 (vor 6500 Tagen) @ Christian

Nachdem wir in der für dieses Forum rekordverdächtigen "bilateralen" Debatte eine Art toten Punkt erreicht haben, den wir ohne richterlichen Beistand nicht überwinden können, wollen wir das Erreichte in einer gemeinsamen Erklärung kurz zusammenfassen:

1. Redaktionelles
a) Die richtige Schreibweise ist „Zweitwohnungsteuer“ (Quelle: Brockhaus-Enzyklopädie, BMF, BVerfG vom 11. Oktober 2005)
b) Die falsche Schreibweise „Zweitwohnungssteuer" beruht auf dem Beschluss des BVerfG von 1983 („Überlingen-Beschluss“) und war bis 2005 für die Kommunen verbindlich.
c) Mit den unterschiedlichen Schreibweisen sind keine unterschiedlichen Rechtsauffassungen verbunden.

2. Wohnsitz
a) Wohnsitz wird wie folgt definiert:
„Wohnsitz bezeichnet üblicherweise die kleinste Verwaltungseinheit (also Stadt oder Kommune) in der jemand seine Wohnung ständig oder unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.“ (Quelle: § 7 ff BGB, § 8 Abgabenordnung Bund, ARD-Ratgeber Recht)
b) Wohnsitz ist etwas anderes ist als die melderechtlichen Kategorien von „Hauptwohnung“ und „Nebenwohnung“ bzw. die steuerrechtlichen Kategorien von „Haupt(Erst-)wohnung“ und „Zweitwohnung“.
c) Nach herrschender Meinung begründet ein Student am Universitätsort nur unter besonderen Umständen einen Wohnsitz.
Der Wille, sich ständig an einem Ort niederzulassen, fehlt regelmäßig bei einem Aufenthalt am Ort des Studiums (Quelle: BFH, BStBl. 2001, 294)
d) Diese herrschende Meinung ist aber in der Fachliteratur nicht unumstritten (Gegenteiliges vertreten z.B. SCHWARZ, AO-Kommentar, Tz. 11 zu § 8 AO, TIPKE/KRUSE, AO-Kommentar, Tz. 10 zu § 8 AO).

3. Steuerart und -gegenstand
a) Bei der Zweitwohnungsteuer handelt es sich bei entsprechender Ausgestaltung um eine örtliche Aufwandsteuer i.S. v. Art. 105 Abs. 2a GG. Aufwandsteuern sind Steuern auf die Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, in der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt. Der Aufwand als ein äußerlich erkennbarer Zustand, für den finanzielle Mittel verwendet werden, ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
b) Steuergegenstand einer Zweitwohnungsteuer ist das „Innehaben einer Zweitwohnung“, nicht die Zweitwohnung selbst.
c) Jede Zweitwohnungsteuersatzung hat sich an den von BVerfG aufgestellten Maßstäben zu orientieren.
d) Den Kommunen bleibt im Rahmen des jeweils nach Landesrecht zustehenden Steuerfindungsrechtes (Art. 105 Abs. 2a GG) unbenommen, eine andere Steuer einzuführen, die dann natürlich dann einer gesonderten Prüfung der Verwaltungsgerichte und - möglicherweise - des BVerfG vorbehalten bleibt. Um Irritationen zu vermeiden, sollte für solche neuen Steuern der Name "Zweitwohnungsteuer" vermieden werden.

4. Nebenwohnung und Zweitwohnung, Wohnungsbegriff
a) Das Innehaben einer Nebenwohnung ist grundsätzlich mit dem Einsatz finanzieller Mittel verbunden und stellt somit einen Aufwand dar, der bei entsprechender Ausgestaltung einer Satzung steuerbar sein kann.
b) Bei der Frage, ob eine Nebenwohnung immer auch als Zweitwohnung betrachtet werden darf, gehen die Meinungen auseinander.
- T. ist der Auffassung, dass die Nebenwohnung in der Steuersatzung immer auch zur steuerbaren "Zweitwohnung" werden kann. Der steuerbare Aufwand resultiert allein aus dem Innehaben der Nebenwohnung.
- C. ist der Auffassung, dass die Festlegung des BVerfG „Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt.“ die Zweitwohnung unlösbar an die Hauptwohnung bindet, um den Zustand „Aufwand“ zu erzeugen. Das Innehaben gehört zu dieser Bindung. Wer keine Hauptwohnung innehat, bringt auch keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck.
c) Das unter b) Gesagte gilt sinngemäß auch für den Wohnungsbegriff.

5. Der Dissens ist letztlich nur durch entsprechende, rechtskräftige Urteile aufzulösen. Deswegen endet die bilaterale Debatte hier erstmal.

Christian & Thomas Weihermüller


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